«Occupy History. Alternativen zur Alternativlosigkeit» 

Es ist doch interessant, sagte ein Freund, dass der Osten im Westen nur dann zum Thema wird, wenn man Angst vor ihm hat. So wie der drohende Wahlerfolg der AfD in Sachsen-Anhalt wieder zu der Frage führte: Wie ist denn der Osten drauf? Reflexartig sucht der verunsicherte Westen nach Erklärungen. West-Feuilletonchefs rufen Bekannte im Osten an, fragen, ob sie dazu etwas schreiben können. So erklärt der Osten wieder den Osten, und das oft in Beilagen und Blättern, die man im Westen gar nicht liest. Die Hamburger Zeit-Beilage «Zeit im Osten» kann man etwa in Hamburg nicht lesen. Bücher von Ostdeutschen werden von Ostdeutschen rezensiert. Und inzwischen gibt es richtige Profi-Ossis, Berufs-Ossi-Versteher. Vermutlich bin auch ich auf dem Weg einer von ihnen zu werden und muss doch erkennen, dass Empowerment Ost – die Gestaltung der Narration der eigenen Geschichte durch die Ostdeutschen selbst – am Ende nur Ostdeutsche beschäftigt.

Vor wenigen Tagen zur Wahl befragt, fühlten sich - parteiübergreifend - 75 Prozent der Menschen in Sachsen-Anhalt laut Befragungen noch immer als «Bürger zweiter Klasse». Und es sind auch nicht die von Marco Wanderwitz ausgemachten «diktatursozialisierten» Rentner, die überwiegend die AfD wählen, sondern junge Wähler, daheimgebliebenen Ost-Männer, denen die Frauen in den Westen davongelaufen sind, und irgendwie auch die Hoffnung.