«The New Infinity»

Planetarien als Galerien der Zukunft für die Künstler*innen des digitalen Zeitalters

Mit der von Thomas Oberender konzipierten Programmreihe «The New Infinity» erprobten die Berliner Festspiele von 2017 bis 2021 Planetarien als Galerien der Zukunft und stellten die architektonisch außergewöhnliche Form der Kuppel bildenden Künstler*innen, Klangkünstler*innen, Filmemacher*innen und Game-Designer*innen als immersiven Erfahrungsraum der Gegenwart zur Verfügung.

Das Projekt «The New Infinity» bespielt eine außergewöhnliche Form von Architektur, die als Kuppel vor gut 100 Jahren für Planetarien entwickelt wurde, um eine möglichst realistische Erfahrung des Sternensystems und der Entgrenzung zu vermitteln, die den Blick ins Dunkle des Weltalls begleitet. Zugleich sind Planetarien von Anbeginn Orte der Hochtechnologie gewesen, einer raffinierten Simulation künstlicher Welten, die zunächst analog und seit mehr als dreißig Jahren auch digital erzeugt wurden. Warum also diese Institutionen nicht für künstlerische Projekte nutzen? 

Die Entwicklungen der digitalen Welt stellen die Infrastrukturen aus der analogen Zeit vor neue Herausforderungen. Das gilt auch für das Planetarium, das bereits seit hundert Jahren als Tor in die Unendlichkeit des Sternenhimmels ein Raum für entgrenzte, immersive Gemeinschaftserfahrungen ist. Verbunden mit digitaler Technologie und mobiler Architektur kann es neue Erfahrungen ermöglichen, neue Gemeinschaften schaffen und Ereignisse vermitteln – auch für ein Publikum, das die Künste sonst nur schwer erreicht. Als weltweit verbreitete Hardware ist das Planetarium ein ideales Mittel, um Technologie- und zeitgenössische Kunsterfahrungen zu demokratisieren und zu verbreiten. Es ermöglicht eine sehr zeitgemäße Form globaler Gleichzeitigkeit.

Bislang galten Planetarien hauptsächlich als Orte der Wissenschaft und Bildung, nur selten fand in ihnen zeitgenössische Kunst statt. Dabei bespielen Planetarien die größte Bildfläche unserer Zeit, und der Fulldome bietet mit seiner hochentwickelten 360-Grad-Klangtechnik einen einzigartigen Raumklang. Von 2017 bis 2021 produzierte die Programmreihe «The New Infinity» der Berliner Festspiele daher Auftragsarbeiten zeitgenössischer Künstler*innen, die in Planetarien und auf Fulldome-Festivals weltweit gezeigt wurden.

Nachdem das Programm in den Jahren 2018 und 2019 knapp 40.000 Besucher*innen in den Mobile Dome auf dem Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg zog, fanden die Editionen der beiden letzten Jahre im Zeiss-Großplanetarium in der Prenzlauer Allee statt, einem der größten und modernsten Sternentheater weltweit. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Planetarium Berlin wurde 2020 eine neue Programmlinie präsentiert, die klassische Avantgardefilme der «Visual Music» für den Kuppelraum neu adaptiert, deren synästhetische Qualitäten im immersiven Erfahrungsraum des Planetariums ihre ideale «Leinwand» zu finden scheinen. Der Ausdruck «Visual Music» bezieht sich einerseits auf die Verwendung und Übersetzung musikalischer Strukturen in visuelle Bilder und darüber hinaus auf Methoden oder Geräte, die Töne oder Musik in eine verwandte visuelle Präsentation übersetzen können. Das Zusammenspiel von Sound und Visuellem führt zu einer neuen Rezeptionserfahrung – die synästhetischen Qualitäten der «Visual Music» scheinen im immersiven und hochtechnologischen Bild- und Erfahrungsraum des Planetariums ihre ideale «Leinwand» zu finden. Den Auftakt der neuen Programmlinie bildeten 2020 die meditativen Farbsymphonien des Lichtkünstlers Thomas Wilfred, 2021 folgten zwei psychedelische Light-Paintings des Lichtkünstlers Bill Ham – neu vertont von der kanadischen Komponistin Kara-Lis Coverdale – sowie eine bisher unveröffentlichte Arbeit des Computergrafik-Pioniers John Whitney.

Künstler und Künstlerinnen: David OReilly, Holly Herndon & Mathew Dryhurst, Fatima Al Qadiri & Transforma und William Basinski | Evelina Domnitch & Dmitry Gelfand, Agnieszka Polska, Metahaven und Robert Lippok & Lucas Gutierrez sowie Live-Konzerten von Richard Reed Parry (Hamburg), Dasha Rush, Actress & Actual Objects, Bill Ham & Kara-Lis Coverdale, Emeka Ogboh, Florence To & Bendik Giske & Bridget Ferrill, Leif Randt, Patricia Detmering, Theo Triantafyllidis & Sun Araw & Tomo Jacobson, Sound-Performances von Panos Alexiadis, ILIOS und Devika (Athen) u. a.

Koproduktion mit dem Planetarium Hamburg, Zeiss-Großplanetarium (Stiftung Planetarium Berlin), Berliner Festspiele

Kuratorisches Team: Marie-Kristin Meier, Adrian Waschmann, Sebastian Häger, Thomas Oberender 

Team: Kathrin Müller, Albrecht Grüß (RIP), Anja Predeick, Marc Pohl, Paul Rabe, Nafi Mirzaii, Benjamin Koziol, Florian Schneider

Besonderer Dank: Georgios Mavrikos

Kontakt Instagram TO (@thomas.oberender)