«Kunst schafft eine alternative Form von Realität»

Petra Kohse: Herr Oberender, was sagen Sie zu Berndt Schmidts Initiative, sein Ensemble am Friedrichstadt-Palast zu schützen, indem er, wie zunächst verkündet, AfD-Wählern das Willkommen verweigert? Hat Theater nicht den Auftrag, die ganze Gesellschaft mit einzubeziehen?

Thomas Oberender: Wir wissen, dass nur ca. 2,5 bis 3,5 Prozent der Stadtbevölkerung Berlins, und in anderen Städten ist das ähnlich, die Angebote der subventionierten Theater annimmt. Beim Friedrichstadt-Palast wird diese Quote etwas höher liegen, wahrscheinlich auch die der internationalen Besucherinnen und Besucher, doch die Annahme, dass Theater die ganze Gesellschaft ansprechen, ist zwar sehr sympathisch, aber hochgradig idealistisch. Trotzdem haben Sie Recht - diese subventionierten Häuser sollen kein closed shops «ewiger» Werte sein, ihre Bühne gehört allen und zwar genauso wie ihre Säle, und diesen Anspruch darf man nicht aufgeben. Das gilt auch für AfD-Wähler, die da eine interessante Erfahrung machen können: Wer auf diesen Bühne repräsentiert ist, ist heute genauso wichtig wie das, was repräsentiert wird, und im Hinblick auf Diversität ist der Friedrichstadt-Palast manch anspruchsstolzen Stadttheatern einen Schritt voraus.