«Die Lichtburg im Lichthof»
Sehr geehrte Damen und Herren,
gleich mehrere Aspekte sind sehr bemerkenswert an dieser Ausstellung:
Zunächst einmal ist dies erste, zumindest mir bekannte Ausstellung, deren Aufbau den Themen einer Rede folgt. Wenn Pina Bausch 2007 mit Ihrer Kyoto-Rede so etwas wie die Essenz ihrer künstlerischen Arbeit und Selbstpositionierung formulierte, so ist diese Ausstellung die sinnliche Entfaltung dieses zentralen Textes – ein Essay, der Raum und Welt wird.
Zweitens ist es eine Ausstellung zum Mittanzen, was auch nicht alle Tage passiert! Denn einerseits ist diese Ausstellung ein begehbares Gedächtnis, mit vielen bislang ungesehenen Archivschätzen, wie die Kuratoren Rein Wolfs, Miriam Leysner und Salomon Bausch sie ausgewählt und eingerichtet haben. Aber, so frage mich sofort, werden Tanzaufführungen wirklich im Archiv aufbewahrt? Ja, ihr toter, dinglicher und als Reliquie unvergesslicher Teil. Der lebendige, so sagte heute Morgen Miriam Leysner, wohnt jedoch in den Körpern der Tänzer. Sie geben Pina Bauschs Erbe weiter, und genau das macht diese Ausstellung so besonders – hier wird, in der Lichtburg im Lichthof, tatsächlich getanzt, Tanz gelehrt in warm ups, in Performance Lectures oder in Vermittlungsformaten wie «Betrachten und bewegen» – was für eine Leistung der Wuppertaler Kompagnie, diesen Ort hier in Berlin fast vier Monate zu bespielen. Vielen Dank dafür stellvertretend an Salomon Bausch!
Womit wir bei der dritten Besonderheit dieser Ausstellung sind: Sie lädt uns ja ein in die Höhle der Kreation. So, wie wir vor einigen Monaten hier in unserer Ausstellung «No It Is!» in William Kentridges Studio einladen konnten, an den Ort der Erfindung seines Werks, den er hier nachgebaut hat, so ist auch der Nachbau «Lichtburg», jenes Wuppertaler Kinos, in dem Pina Bausch von den späten Siebzigern bis 2008 mit ihrem Ensemble geprobt und ihre Stücke erfunden hat - ein Ort, der normalerweise unbetretbar und heute hinter einem Schnellimbiss verborgen ist. Ich habe selbst viele Jahre meines Lebens in diesem Probendunkel verbracht – es ist immer das Gleiche: Ein Ort, der die Welt ausschließt, um selber eine Welt zu erschaffen – kein Licht fällt durch die Fenster, kein Laut dringt hinein, kein Publikum schaut zu – geschützte Konzentration und die absolute Freiheit des Spiels. Es ist vielleicht der einzige Ort in der Welt, an dem niemand auf die Vorschläge des anderen mit Kritik antwortet, sondern allein durch anderes Verhalten, durch andere Angebote, die Verführung etwas anders zu tun und so baut sich etwas auf aus – ja: im Grunde nichts. Ideen, Erfahrungen, Bewegungen, Geschichten – sie sind der kostbare Rohstoff, der in diesen Probenräumen zu Werken wird und die Ausstellung zeigt dies als einen Weg ins Innere dieser Hexenküche einer Gruppe von sehr, auch sehr lange kreativen Künstlern. Wie kostbar ist das. Hier, in diesem Raum, hat Pina Bausch ihr Leben in Tanz getilgt und von da tritt er wieder hinaus in die Ausstellung. Es ist eine Ausstellung, die auf Begegnung angelegt ist – wir stehen ihr nicht gegenüber, sondern dürfen in sie eintreten, an ihr mitwirken.
Das passt zur Entwicklung des Gropiusbaus und der Festspiele in den letzten Jahren – erinnern Sie sich an unsere Ausstellungen mit Tino Sehgal, Susanne Kennedys große «Orfeo»-Performanceinstallation oder eben unlängst an William Kentridge. Anläßlich dieser Ausstellung zum Mittanzen haben wir mit der Kompagnie einen Pina Bausch-Vermittlungsschwerpunkt beim Tanztreffen der Jugend entwickelt, er startet in 10 Tagen; Matana Roberts, eine junge amerikanische Saxophonistin, widmet der von ihr bewunderten Pina Bausch die Hommage: «For Pina», hier im Lichthof anläßlich des Jazzfest Berlin, und vom 16.-19. Dezember schließlich zeigen wir die legendäre Produktion «Palermo, Palermo» im Festspielhaus. Lassen Sie sich dieses Stück, wie es noch in den Körpern wohnt, nicht entgehen.
Besten Dank an alle, die diese Ausstellung im Gropiusbau so perfekt und anders eingerichtet haben, allen voran Dank den Machern aus der Kunsthalle Bonn, Rein Wolfs, dem Tanztheater Wuppertal, Salomon Bausch, der Pina Bausch Foundation, Miriam Leysner, der Kompagnie, Gereon Sievernich und den beteiligten Kollegen im Haus.