«Autor sein»
Laudatio auf Klaus Maria Brandauer
von Thomas Oberender
Vor langer Zeit, an einem sonnigen Nachmittag in Bochum, als ich am hiesigen Schauspielhaus eine Uraufführung eines seiner Stücke vorbereitete, sagte der Dramatiker Alexej Schipenko zu mir: «Weißt du, es gibt zwei Arten von Menschen: Die einen sind Schauspieler. Die anderen Autoren.» Entweder wir sind die Autoren unseres Lebens, oder wir spielen die Geschichten anderer nach und gehen auf in der Interpretation von etwas, das der Entwurf eines anderen ist, der für uns die Worte und Wege fand. Entweder wir sind Schöpfer, oder Geschöpfe. Dieser Gedanke war ein Stachel, der meine Sinne für die eigene Lage auf Jahre schärfte.
Es war die Begegnung mit Klaus Maria Brandauer, die mich, in seiner Wahrnehmung als Künstler, diesen russischen Satz anders sehen ließ. Klaus Maria Brandauer schreibt Rollen, indem er sie spielt. Er verändert dafür an ihnen kein Wort. Ich kann mir die Erfahrung der so realen Präsenz seiner Figuren nur so erklären, dass er an sich selbst die Fragen stellt, die er an die Figur stellt. Dass es zunächst und vor allem sein eigenes Leben ist, das ihm nicht einfach nur passiert, sondern als dessen Autor er sich empfindet und es also prüft auf das ihm innewohnende Verhältnis von Wort und Tat, Sinn und Freude, Standpunkt und Umfeld, und das er, einmaliges Privileg seines Berufs, hinein verlängert in die Lebensfluchten der großen Figuren.
Womit es begann? In jungen Jahren hat er den Vaternamen abgelegt und ließ sich den Namen seiner Mutter und Altausseer Familie ins behördliche Register schreiben. Damit war ein Fähnchen in die Landkarte seines rastlosen Lebens gesetzt: Heimat und Herkunft nicht als Gegebenheit, sondern Entscheidung. Zwei Semester Studium an der staatlichen Schauspielschule Stuttgart, länger war er nicht zu halten – 1963 debütierte er in Tübingen, es folgten Engagements und sein Debüt als Theaterregisseur in Salzburg, zwei Jahre Düsseldorf, 1968 der Wechsel nach Wien, erst die Josefstadt, dann an der Burg, daneben große Rollen in München, Hamburg und bei den Salzburger Festspielen – innerhalb weniger Jahre wurde er zum populärsten Theaterschauspieler des deutschsprachigen Raums und von der Burg ging es in die Welt – seine internationale Filmkarriere machte ihn unabhängig. Frei war er von Anbeginn.
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