«Der erste Preis»

Laudatio auf Wilfried Minks zur Verleihung des «Faust» für sein Lebenswerk am 27.11.2010
von Thomas Oberender

 

 

Wilfried Minks ist das Kind einer Bauernfamilie aus Binai, nahe Prag. Mit zwölf Jahren ritt er auf dem Rücken eines Pferdes freihändig stehend durchs Dorf. Wenig später war er auf dem Weg an die Ostfront, unterwegs in einem Trupp von Hitlerjungen, als ein Deserteur sich in der kleinen Formation zu verstecken suchte. Die Feldjäger entdeckten ihn und entsicherten ihre Maschinenpistolen. Sie forderten die Hitlerjungen auf, beiseite zu gehen, und erschossen den Mann. Dieser Schuss traf Wilfried Minks, wie mir scheint, ins eigene Herz. Für Ideologien blieb es fortan versiegelt. Mit der Vertreibung lernten er und seine Familie die Erniedrigungen des Flüchtlingslebens kennen, Hunger, Knechtsdienste bei fremden Bauern. Sie impften ihm eine Grundaggression gegen selbstgerechte Bürgerlichkeit und Dünkel ein. Zusammen mit seiner Ablehnung von Ideologien trieb diese Aggression sein Werk voran, verlieh ihm Wucht und Opulenz. Ideologie endet immer im Tod, sagt er.

Auf die Frage, worin das Besondere der Arbeit von Wilfried Minks liegt, würde ich umstandslos sagen: Schönheit. In einer speziellen Form, an der man die Räume von Wilfried Minks auch über Jahrzehnte hinweg immer als seine erkennt. Er erfand in Ulm den weißen Kasten als Grundraum, was ihm den Namen «Turnhallen-Minks» einbrachte. Er stellte erstmals echte Materialien auf die Bühne, Installationen aus Möbeln und Architekturelemente, verwitterte Fensterrahmen aus Abbruchhäusern, eingepasst in einen artifiziellen Grundraum. In ihm erschienen im Laufe der Zeit ein gespenstischer Skulpturenwald aus echten, knorrigen Baumstämmen, und plötzlich Werbebilder, ins Riesenhafte vergrößerte Volkskunstplastiken, Zeitungsfotos, Materialien und Medien der Massenkultur – Neon, Leuchtbänder, Plexiglas, Videobilder. Und auch die sinnliche Realität des Theaters selbst: die sichtbar ausgestellten Scheinwerfer, Brandmauern, Versenkungen. Wilfried Minks Erfindungen wurden uns vertraute Elemente einer modernen Bühnensprache – wir wundern uns nicht mehr, wenn im Theatersaal das Licht an bleibt, wie er das 1959 zum ersten Mal machte, um die Aufführung des «Don Carlos» zu desillusionieren und den Zuschauerraum mit der Bühne zu verbinden.