«Nomen Nominandum»

Woran das System scheitert 

Zu «Tessa Blomstedt» von Christoph Marthaler an der Volksbühne Berlin
von Thomas Oberender

 

 

«Denkzettel fördern die Vergesslichkeit.» (Christoph Marthaler)

Im Ankündigungstext des neuen Stückes von Christoph Marthaler steht: «Tessa Blomstedt ist eine Frau mit mehreren Geburtsdaten. Man könnte auch sagen, dass sie mindestens drei Generationen gleichzeitig verkörpert (wahrscheinlich deutlich mehr). Entsprechend gut kennt sie sich aus in Liebes- und Eheanbahnungsfragen, auch wenn sie bis heute noch nie ganz erfolgreich gewesen ist auf diesem Gebiet. Was einst mit Tinte geschriebene und wachsversiegelte Briefe waren und wochenlang ersehnte Begegnungen in den städtischen Parkanlagen, verwandelte sich vor Tessas Augen in Schreibmaschinenpost, Telefonverabredungen, Diskobekanntschaften, Club-Dating und Mailkontakt. Es wäre gelogen zu behaupten, dass Tessa bereits jetzt eine Souveränität erlangt hätte im Umgang mit Portalen und Profilen. Die unzähligen AGB’s, die sie stets aufmerksam liest, verwirren sie. Aber schließlich stimmt sie zu. Denn sie will finden und gefunden werden. Und angeklickt und heiß begehrt. Im Besitz zahlloser Nicknames ist sie ununterbrochen unterwegs in den sich immer weiter vergrößernden Gärten elektronischer Kontaktaufnahme. Und kann es kaum erwarten, das nächste vielversprechende Liebesangebot aus dem Daten-Orbit.»