«Glückwunsch zum 80. Geburtstag. (56 Jahre)»
von Thomas Oberender
Liebe Tana, du hast viele Leben gerettet: Erstens das Leben vieler Tiere - was sie dir bedeuten, denen du viel Zeit und realen Raum, viel Geld und über Jahrzehnte Hingabe gewidmet hast, hat mich immer beschäftigt. Es muß etwas mit der Anerkenntnis einer eigenen Verantwortung zu tun haben, als Mensch, aber, so glaube ich, bei dir auch als Künstlerin.
Ich sehe inzwischen lieber älteren Schauspielern auf der Bühne zu. In und mit ihnen steht mehr auf der Bühne als nur eine Figur. Da ist ein Leben anwesend, ein sehr persönliches, ein von Kämpfen und Alter geprägtes Leben, ihr Körper erzählt eine eigene Geschichte, bringt etwas mit, das nicht herstellbar ist, aber sich zeigen kann. Ich liebe die älteren Schauspieler, die mit ihrer eigenen Geschichte spielen, mit all dem, was sich an ihnen in einem Leben verbraucht, aber in ihnen auch angereichert hat, als ein Rauch in der Stimme, ein Gebrechen, das zur Stärke wird, ein Zittern, in dem sich das Leben in seinem Kampf und seiner Kraft zeigt. Ich habe mich von dir auf der Bühne nie belogen gefühlt, was natürlich nicht nur etwas mit dem Alter zu tun hat.
Wir verbinden mit dir viel Sentiment, das sich auf wundersame Weise mit dieser Stadt und dem Bochumer Schauspielhaus verbunden hat – du zeigst und singst, warum es Sinn macht, an diesem Ort zu bleiben. Für uns alle.
Ich bin froh, von dir gelernt zu haben. Du hast einen unbestechlichen Kompass in der Hand hat, freilich - ohne dass man ihn sehen könnte. In deinem Leben ist ein Ethos am Werk, der beeindruckt – wie ein Stahlwerker gehst du auf die Bühne. Ich meine, dass du nie, wie immer es in dir aussieht, Abstich verpasst, und am Platz stehst, in einer Pflicht, die über dich selbst hinausgeht. Diese Passion hat etwas zu tun mit den Tieren, die du nicht bereit bist, leiden zu lassen oder zu essen. Sie hat etwas zu tun mit einer grundsätzlichen Solidarität und Nähe zum Leben, das dich, wo es gequält wird, selber quält. Und die Bühne ist ein Ort, dieses andere Leben zu schützen. Am besten, indem man wenig darüber spricht.
Mit deiner Person und Arbeit verbindet sich eine Realität, die mir immer klar und unzweifelhaft blieb – keine Spielchen, viel Humor, Großzügigkeit und in aller Exzentrik das Bewusstsein einer klaren Grenze. Dieser Kompass in deiner Hand hat mich bei jeder Begegnung, auf den Proben, in der Kantine oder auf dem Flur, beeindruckt. Du bist ein zäher, starker Mensch, durchaus auch hart – gegen dich selbst, gegenüber der Arbeit. Wer mag erahnen, was du ihm geopfert hast? Diesen Kompass hast du mir, als viel Jüngeren, gezeigt, ohne ihn mir vor die Nase zu halten.
Liebe Tana, für dich wurden Stücke geschrieben, Stücke angesetzt und Filme geschrieben. Du hast viele Leben gerettet, auch das manches Regisseurs und Taxifahrers, aber auch und vor allem – vieler, vieler Figuren. Ich habe dich in der Arbeit erlebt, hellwach, inständig die Wahrheit deiner Sätze prüfend, jedes Blicks, jeder Geste – das war die Arbeit einer skrupolösen Künstlerin. Du wirst heute unglaubliche sechsundfünfzig Jahre jung – und viele, die für dich geschrieben und mit dir gespielt haben, sind nicht mehr da. Auch an sie, an Hermann Lause und Jens Jenssen denke ich, wenn ich mich heute freue, dass du hier bist, unter uns. Und an all die, die noch immer mit dir sind – im schönsten Sinne des Wortes: fürsorgend. Da sind Intendanten zu nennen, aber auch Jutta van Asselt und natürlich dein Publikum.
Und eines weiß ich inzwischen auch: Dass du von allen am besten weißt, was für dich gut war und ist. Und dann glaube ich natürlich, dass dein Rezept, sich das Rauchen abzugewöhnen, von allen das Beste ist. Aber das verraten wir zu deinem Sechzigsten. Liebe Tana, ich wünsche dir noch ein langes Leben. Alles Gute.
(Gesprochen auf einer Matinee in den Bochumer Kammerspielen anläßlich von Tana Schanzaras 80stem Geburtstag. Posthum veröffentlicht, s.o.)