«Unvereinbares Beisammen»

Notizen zu «Pancomedia» von Botho Strauß
von Thomas Oberender

 

«Der Narr und seine Frau heute Abend in Pancomedia» von Botho Strauß, UA Schauspielhaus Bochum 2001, Regie Matthias Hartmann

 

Die «Wahrheit» ist, genau wie die «Wirklichkeit», ein Schwellenphänomen, dessen Authentizität gerade aus dem Schwanken seiner Realität entsteht. In den Dogma-Filmen, den Reality-soaps oder Fernsehsendungen, die aus den Mitschnitten von Polizei- oder Überwachungskameras ihr Material beziehen, in den Hollywoodinszenierungen von Realgeschichte und insbesondere in den Nachfolgeprojekten von «Big Brother» kulminiert ein Interesse an der «Wirklichkeit», das sie als eine «gemachte Vorstellung» und beobachterabhängiges «Welttheater» begreift. Es sind gerade die Rückzugsgebiete vor der Allgemeinheit - die Insel, das eigene Haus, die intime Beziehung - die in diesen Fernsehformaten und in den sozialen Netzwerken nun zur öffentlichen Bühne werden. Die Robinson-Projekte der großen Sender zeigen Menschen auf einsamen Inseln, die dem Betrachter selbst- und rollenbewußt zugleich ihr soziales Leben vorspielen. Menschen testen sich in Camps und Containern, lassen sich isolieren und durchsichtig machen in der Hoffnung auf eine Selbsterfahrung und den großen Preis. Diese Orte sind die Modellrealitäten des Westens, soziale Testlabore einer anderen, neuen Art zu leben.