«Trial and Terror.»
Über den Kapitalismus als Religion und radikale Aspekte unserer Identitätspolitik
von Thomas Oberender
«Die Menschen sind mehr Kinder ihrer Zeit als Kinder ihrer Eltern.» Marc Bloch
Was bedeuetet es, wenn Namen wie Osama Bin Laden, Taliban, Wahabismus oder Al Quaida, die in der westlichen Welt vor dem 11. September 2001 nur wenigen Menschen vertraut waren, uns plötzlich geläufig wurden? Der islamistische Terrorismus hat uns «beschrieben» und diese Wörter mit Gewalt in unser Vokabular eingetragen. Und umgekehrt ist so, daß die Sprache des Abendlandes andere Kulturen permanent «überschreibt».
Ich glaube, daß die Auseinandersetzung, die seit dem 11. September 2001 als «Kampf der Kulturen» oder «Krieg zwischen Zentrum und Peripherie» beschrieben wurde, ein Krieg der Propheten ist, ein Kampf um Grundwerte und Lebensstile, wie sie sich mit unterschiedlichen Prophezeiungen verbinden. George Bush und Osama Bin Laden wurden nach dem 11. September 2001 zu Propheten rivalisierender Versprechen und Lebensmodelle. Der seit der Jahrtausendwende anhaltende assymetrische Krieg läßt sich allerdings nicht nur aus der pragmatischen und strategischen Vernunft der politischen Ziele heraus erfassen, sondern verweist auf Glaubensfragen. Die Antwort auf die Frage, wofür es sich zu sterben lohnt, führt zu dem nicht immer offen zutageliegenden Glaubenskern verschiedener Gemeinschaften. Folgt man dieser Spur des Prophetischen, so führt dies in jene Bereiche, in denen Identitäten gebildet und Gemeinschaften formiert werden. Dennoch wirkt der Begriff der Prophetie im Hinblick auf die säkulare Lebenswirklichkeit des Westens überraschend und wenig naheliegend. Doch wie säkular und von allen Glaubensresten befreit ist diese Wirklichkeit wirklich?
Autoren wie Walter Benjamin, Pierre Legendre oder Nicolás Gómez Dávila haben immer wieder auf die unreflektierten Glaubensmomente des kapitalistischen Systems und seiner politischen Erscheinungsform hingewiesen. Für Walter Benjamin führte dies zu der bekannten Feststellung, daß im Kapitalismus selbst eine Religion zu erblicken sei, «d.h. der Kapitalismus dient essentiell der Befriedigung derselben Sorgen, Qualen, Unruhen, auf die ehemals die so genannten Religionen Anwort gaben. Der Kapitalismus ist eine reine Kultreligion, vielleicht die extremste, die es je gegeben hat. Es hat in ihm alles nur unmittelbar mit Beziehung auf den Kulturs Bedeutung, er kennt keine spezielle Dogmatik, keine Theologie. Der Utilitarismus gewinnt unter diesem Gesichtspunkt seine religiöse Färbung.»
Aus dieser Perspektive betrachtet wirkt es so, als glaubten wir heute auf ähnliche Weise an das Dogma des Rationalismus, an die Technik und das Machbare des Fortschritts wie einst ältere Kulturen an die Segensmacht eines Gottes. Die uns leitenden Vorstellungswelten, die z.B. auf unserem Vertrauen in die technischen Großsysteme beruhen, werden durch Katastrophen zwar bisweilen kurz irritiert, überdauern aber im Grunde ebenso unerschüttert wie der ‚natürliche’ Volksglaube älterer Kulturen die Heimsuchungen durch schwere Unwetter oder Epidemien. Über dieses robuste Vertrauen des Menschen in die Möglichkeit einer zweiten Schöpfung nach seinem Maß und Willen schrieb der Soziologe und Philosoph Dietmar Kamper: «Das Verhältnis der Menschen zu den Maschinen wird praktiziert als umgekehrtes Verhältnis Gottes zu den Menschen. Insofern wäre Technologie unfreiwillig noch immer Theologie. Es gäbe so etwas wie eine Entsprechung, ein verschobenes Modell, das aber den Machern und Technikern nicht klar ist. So könnte man das großtechnische Projekt als eine Herstellung der Welt nach menschlichen Maßen als Abklatsch entschlüsseln.»
Forscher und Konzernlenker beziehen sich heute kaum noch auf ‚starke’, am Entweder-oder geprüfte Überzeugungen - sie begreifen ihre Realität viel eher als ein Resultät rastloser Interpretationen. Dennoch, auch innerhalb der ‚schwachen’ und fluiden Form der abendländischen Rationalität gibt es Schwund- und Transformationsformen des Religiösen, die in unserem Zusammenhang von Bedeutung sind, bilden sie doch jenen heißen Kern der westlichen Gemeinschaft, der sie noch immer so verteidigungswert, bzw. abstoßend wirken läßt. Interessanterweise stützt sich nicht nur der politische Panarabismus Bin Ladens auf religiösen Prophetien. Auch die Durchsetzung des Kapitalismus als Kultur beruhte auf Prophetien, die, wie Max Weber gezeigt hat, zunächst eng mit einer reformatorischen, religiösen Praxis verbunden waren. Selbst wo dieser religiöse Hintergrund sich in der westlichen Welt verflüchtigt hat, wirkt er als Glaubensrest fort und definiert eine Grenze zwischen erhoffter und eingelöster Emanzipation. Ohne auf diese quasireligiösen Momente des Kapitalismus als Kultur, wie sie z.B. in der Rolle des Geldes oder des Wahrheitsanspruches von Mehrheitsentscheidungen sichtbar werden, an dieser Stelle näher einzugehen, sei auf sie immerhin verwiesen, da sie ein wesentlicher Teil jener Prophetie sind, die dem Westen gerade dort innewohnt, wo er scheinbar nicht religiös argumentiert.
Faßt man die offensichtlichen und unterschwelligen Glaubensmomente der westlichen Prophetien näher ins Auge, führt dies folgerichtig zur Kehrseite des Prophetischen – der politischen Gemeinschaftbildung.
Prophetien, so ließe sich sagen, singen ein Lied darüber, wovon die Politik aufgehört hat zu sprechen. Je enger der politische Spielraum ist, um so prophetischer artikuliert sich das Problem, so geschah dies im Falle der Hisbollah oder des Una-Bombers Theodore Kaczynski. In der Prophetie artikuliert sich das sichere Wissen, daß nur noch der Glaube hilft, wo alle anderen Handlungsgründe in die eigene Ohnmächtigkeit zu münden drohen. Insofern wird auch in der westlichen Welt die Spur des Prophetischen besonders in jenen Bereichen deutlich, in denen die säkulare Gesellschaft ratlos, überfordert oder trostlos wirkt. Nie inszenierte sich der american way of life sakraler als bei den Totenfeiern für die Opfer des 11. September in New York – hier wurde Menschen gedacht, die unschuldig zu Opfern wurden und die Überlebenden wollten wissen, wofür? Die von einer Mischung aus Entertainment und religiöser Zeremonialität geprägte Trauerfeier im Yankee Stadion oder die Bilder amerikanischer Flugzeugträger auf hoher See, die unter dem Slogan «america strikes back» zu Sendboten amerikanischer Überlegenheit wurden, zeugten von einem Heilsversprechen, das letztlich transzendenter Natur ist und seine stärkste Ausprägung wahrscheinlich nicht zufällig im Angesicht des Todes erhält. In solchen Momenten stellt sich die Glaubensfrage in einer Unmittelbarkeit, von der wir sonst weit entfernt stehen, auch wenn wir ihren Schwundformen im Umgang mit dem Embryonenschutz, der Frage nach der Gewinnung und Vernutzung von Stammzellen menschlicher Föten täglich begegnen können.
Die Spur des Prophetischen wird besonders dort deutlich, wo sie in der unmittelbare Attraktivität von Lebensstilen und Identifikationsangeboten scheinbar verschwindet. Zwar ist es einerseits so, daß jede Gesellschaft, so Piere Legendre, eine ‘Vision des Prinzips’ hervorbringt, ein «Jenseits von unzählichen Toten, eine Inszenierung der Ursprünge, die dem Menschen als Schirm dient: er schirmt ihn gegen den Abgrund und dient zugleich als Spiegel, in dem er in mythologischen, religiösen, historischen und heute wissenschaftlichen Erzählungen sieht, wie er geboren wird, wie er lebt und stirbt.» Andererseits ist es aber so, daß diese Vision des Prinzips, von dem Pierre Legendre spricht, nicht nur in der Form des väterlichen Verbots, sondern auch in der Form des Gebots und des Glücksversprechens erscheint.
Vom ‚Vater der Raumfahrt’ bis zum ‚Vater der sozialen Marktwirtschaft’, vom ‚Vater unser’ bis zum ‚Vater der Wasserstoffbombe’ – mit dem Begriff des Schöpfer-Vaters ist zugleich immer auch ein Prinzip etabliert, innerhalb dessen Grenzen dem Menschen Schutz versprochen wird – bei gleichzeitiger Androhung seiner Vernichtung. Insofern lassen sich soziale Verhaltensformen auch als der Durchschein des in ihnen verborgenen Prinzips ‚lesen’. In diesem Sinne haben z.B. die islamistischen Fundamentalisten die westliche Gesellschaft, auch in der Sprache ihrer Kleidung, ihrer populären Musik oder zwischenmenschlichen Umgangsformen ‚gelesen’ und aus ihrer Sicht als gottlos und imperialistisch empfunden. Aber auf ähnliche Weise wird dieselbe Kultur auch von den Künstlern und Philosophen der westlichen Welt selbst ‚gelesen’ – der Romancier Thomas Meinecke sagte über seine Arbeit an dem Roman Hellblau: «Mich interessiert tatsächlich nicht nur die Oberfläche dessen, was ich die ganze Zeit ‚lesen‘ kann – ob das jetzt Schallplatten sind, Kleidungscodes oder eben Texte –, sondern ich versuche, in den Untergrund dieser oberflächlich wahrnehmbaren Phänomene vorzudringen. In die darin transportierten Ideen von Humanität und Protest, denn im populären Gewand eines Songs verbirgt sich zugleich ja auch ein Versprechen auf ein besseres Leben und ein Entwurf von sich selbst – mit diesen Entwürfen spiele ich und spielt die Gesellschaft insgesamt.»
Folgt man dieser Spur des Prophetischen, wie sie Thomas Meinecke beschreibt, so führt dies weit näher an den verheißungsvollen Kern der westlichen Gesellschaften als die scheinbar rein diesseitige Prophetie ihres politischen Systems. Daß die USA heute einen bespiellosen Einfluß auf die gesamte Welt ausübt, offenbart sich nicht nur in seinen politischen oder militärischen Interventionen, sondern auch darin, daß dieser Einfluß zum Teil ganz ungewollt spürbar wird, verursacht durch die Stärke und Anziehungskraft seines Lebensmodells. Dies wurde oft als Imperialismus des amerikanischen Lebensbildes beschrieben und in der Tat sind die individuellen Glücksversprechen von Pop und Jeans sind die Kehrseite einer scheinbar unantastbaren Modernisierungshegemie der USA. Menschen auf der ganzen Welt streben danach, Amerika nachzuahmen und dies nicht aus Verehrung für den amerikanischen Präsidenten oder die amerikanische Verfassung. Denn neben der Sprache der Politik spricht aus der westlichen Lebensform auch eine andere Sprache – ein alternativer Text, der der Sprache der Macht bisweilen widerspricht, Glücksansprüche gegen oder unabhängig von ihr formuliert und sie kritisiert. Die Prophetien der Realpolitik oder der westlichen Naturwissenschaft und Technik werden auf eine kritische und ungläubige Weise täglich von Menschen ‚gegengelesen’, denen der Segen dieser Verheißungen verwehrt bleibt oder fragwürdig scheint. Zwischen dem Glauben daran, daß eine Gesellschaft ihre Versprechen hält, und der Erfahrung, daß die argumentationslose Politik des Geldes immer größere Bevölkerungsgruppen marginalisiert, entsteht eine Reibung, die dem ‚amerikanischen Traum’ in vielfacher Gestalt den Traum von einem anderen Amerika, das so nicht existiert oder sich selbst so nicht sieht, entgegenstellt.
Insofern sind Prophetien essentiell abhängig von Situationen, zu denen sie in ein alternatives Verhältnis treten. Der islamistische Fundamentalismus ist ohne sein Feindbild des westlichen Lebensstils nicht denkbar. Osama Bin Ladens way of life ist eine Antwort auf das kulturelle und politische Versprechen Amerikas und seiner Selbstinszenierung, das umgekehrt ebenfalls auf der Beschreibung des ihm Fremden und Anderen beruht. So erscheint der ‘Krieg der Propheten’ letztlich als ein radikaler Aspekt der Identitätspolitik und ihrer unterschiedlichen Erscheinungsformen. Wie würden wir uns z.B. verhalten, wenn jeder unserer Fortschritte, d.h. jede technologische oder zivilisatorische Errungenschaft der westlichen Welt übertrumpft, entwertet und abgelöst würde von den Leistungen einer anderen Kultur? Wenn z.B. die Sprache des Internets einige Generationen später arabisch oder chinesisch wäre, unsere Arzneien in afrikanischen Labors entwickelt würden und die Eliten der westlichen Welt in Teheran studieren?
Der libanesische Romancier Amin Maalouf, selbst als Migrant in Paris lebend, beschreibt in seinem Essay Mörderische Identitäten die Geschichte des Verhältnisses zwischen arabischer und westlicher Welt und fragt sich, was es bedeutet, «wenn die Moderne vom Anderen kommt»: «Seit einem halben Jahrtausend ist alles, was die Vorstellungen der Menschen, ihre Gesundheit, ihre Umwelt oder ihr tägliches Leben nachhaltig beeinflußt hat, vom Westen geschaffen worden. Der Kapitalismus, der Kommunismus, der Faschismus, die Psychoanalyse, die Ökologie, die Elektrizität, das Flugzeug, das Auto, die Atombombe, das Telefon, das Fernsehen, der Computer, das Penezillin, die Pille, die Menschenrechte und die Gaskammern. Alles das, alles Glück und Unglück dieser Welt, hat seinen Ursprung im Westen. Die Menschen im Westen können sich wandeln, sich weiterentwickeln, sich anpassen und dennoch sie selbst bleiben. Für Chinesen, Afrikaner, Japaner, Inder oder amerikanische Indianer, aber auch für Griechen und Russen sowie für Iraner, Araber, Juden oder Türken war die Modernisierung stets mit dem Verlust eines Teils ihrer selbst verbunden. Auch wenn sie manchmal Begeisterung hervorrief, ist sie nie ohne eine gewisse Verbitterung, ohne ein Gefühl der Demütigung und Selbstverleugnung vor sich gegangen. Nie ohne die quälende Frage nach den Gefahren der Assimilation. Nie ohne eine tiefe Identitätskrise.»
Der religiöse Fundamentalismus war für Muslime und Araber, so Amin Maalouf, nicht die natürliche und unmittelbare Antwort auf diese Erfahrung, sondern die letzte Wendung einer historischen Anschlußbemühung an den Westen, nachdem die Versuche der Moderniserung unter den Leitbildern der westlichen Gesellschaftsform, des Nationalismus oder Sozialismus gescheitert waren. Den Anstieg der Religiosität, der seither in den Ländern der arabischen Welt zu beobachten ist, deutet Amin Maalouf nicht nur als eine bloße Reaktion auf den Siegeszug des Westens – er deutet ihn auch als den Versuch einer Synthese zwischen dem Bedürfnis nach Identität und der Forderung nach Universalität: «In der Tat wirken die Glaubensgemeinschaften wie «globale Stämme» – «Stämme» wegen ihrer identitären Geschlossenheit, und «global», weil sie sich mühelos über Grenzen hinwegsetzen.» Amin Malouf beschreibt die erstarkenden «globalen Stämme» als Antwort auf die Globalisierung, aber er setzt sie nicht gleich mit dem Fundamentalismus.
Der Krieg der Propheten läßt sich im Konflikt zwischen radikalen Islamisten und der hegemonialen Macht der USA beschreiben, aber auch innerhalb dieser «Stammeslager» – als Konflikt zwischen verschiedenen Lagern der schiitischen Glaubensgemeinschaft, oder, auf der anderen Seite, beispielsweise als Konflikt zwischen dem «alten Europa» und der Neuen Welt. Zugleich läßt sich die Spur des Prophetischen aus den unterschiedlichsten Formen des gesellschaftlichen Lebens herauslesen – aus den Texten von Popsongs genauso wie aus dem Kleidungscode jugendlicher Subkulturen. Immer formuliert sich in ihnen ein Identifikationsangebot, das unser Eigenes in Alternative zum Anderen beschreibt – sei dies nun eine politische Macht oder die elterliche, eine Rebellion gegen das Establishment oder die Formen des Benimms. Undenkbar scheint daher eine affirmative Prophetie, in der die Verhältnisse, wie sie sind, bejaht werden. Prophetien artikulieren sich immer futurisch – sie verkünden Anweisungen, deren Einlösung eine bessere Zukunft verspricht, denn Propheten artikulieren sich als Kenner einer sonst verborgenen Zukunft. Bejaht wird, was sein wird und sich als Vorschein einer Verheißung zu erkennen gibt. Insofern führt die Spur des Prophetischen nicht nur zu den offiziellen Kriegserklärungen, sondern auch zu Texten ganz anderer Art: Songtexte und Dramen, Jugendbewegungen und Moden. Vorallem in ihnen artikuliert sich, wofür es sich unter Umständen zu sterben lohnt, aber auch die unentrinnbaren Aporien, mit denen das Gesetz der Propheten den Einzelnen konfrontiert.
«Krieg der Propheten»
Zur Zukunft des Politischen II
Ulrike Haß und Thomas Oberender (Hg.)
184 Seiten, 2004
Die in diesem Biuch versammelten Texte wurden als Vorträge in einer vom Schauspielhaus Bochum und der Ruhr-Universität Bochum veranstalteten Reihe unter dem Titel Krieg der Propheten gehalten. Sie setzen die Auseinandersetzung mit den Folgen der Anschläge des 11. September fort, die mit der Diskussionsreihe unter dem Titel Gott gegen Geldbegann. Nach dem Erfolg dieser ersten Textsammlung erscheint nun das zweite Konvolut mit Essays und Diskussionen «Zur Zukunft des Politischen». Soziologen, Schriftsteller, Philosophen, Regisseure, Dramaturgen und Theaterwissenschaftler unterziehen klassische Texte von Friedrich Schiller bis Carl Schmitt und Giorgio Agamben einer neuen Lektüre und lesen in den historischen Ereignissen unserer Zeit die Inschrift möglicher Konflikte und Chancen von morgen.
Thomas Oberender: Trial and terror
Heiner Müller: Nozizen zu Carl Schmitt, Erläutert von Nikolaus Müller-Schöll
Thomas Meinecke im Gespräch mit Friedrich Balke: Glamour und Abgrund. Das Modell USA
Underground – der literarische Sound des Empires; Was ist das Empire; der 11.9.01 als Definition; Carl Schmitt: Land und Meer; Zukunft haben Mächte, die sich der deterritorialisierenden Dynamik anvertrauen; Faschismus als Festung; das Nichts, das uns bedroht; Esoterrorismus; die umgekehrte Kamera; Gischt des Sozialen; Krieg gegen Terrorismus ist Krieg gegen Piraten; Löcher in der Wahrnehmung; Ausnahmezustand; Empire – ein Versprechen auf Inklusion; Franz Kafkas Amerika; Stars and Stripes; kultureller Alteritätseffekt; kulturelle Zirkulation und Begrenzung; Migranten; neues Politikverständnis; Fatum der westlichen Musik; Glaube an Pop; Oberfläche und Untergrund – der Sound des Prophetischen.
Günther Heeg: »Einsamkeit. Schnittstelle»
Ohne Glauben leben; weltliche und »undarstellbare Gemeinschaft» (Jean-Luc Nancy); Schillers Chorprojekt – Die Braut von Messina; Schleefs Chorprojekt; In-Gemeinschaft-sein; Agora Phobia – Karen Lancels Isolationsäule; Panic Room – Wahnburg des Ich; Sarah Kane: Zerbombt; Montage des Disparaten; geteilte Einsamkeit; Diskussion: Schlußchor – Strauß’ Chorprojekt; Blick von »außen»; abstrakte Positivität; die Perspektive Goethes und Kleists; Tyrannei und Trost der Prophetie – Schiller; menschliche Bomben: das Zusammenfallen von Staat und Privatsphäre; Massen ohne Klassen; windfalls als letzte Hoffnung; Sucht: Einar Schleefs Drogen
Marianne Schuller: Heimsuchung. Terror heute
Name; Carl Schmitts Feindbestimmung; Heimsuchung; der Partisan; Ressentiment nach außen, Paranoia nach innen; enduring freedom; Antigone; Was tun? Wider der unbestimmten Heimsuchung; Diskussion: Den Terror zivilisieren; Theorie der Paranoia
Joseph Vogl: Beliebige Feindschaft. Zur Epoche des Amok
Die Ereignishaftigkeit des Amok; Verknüpfung zischen Geschehen und Symbolsystem; Amok – Mutationen vom kriegerischen Ritual im 16. zum Krankheitsbild im 19. Jh.; Figur eines »sozialen Übels»; Ereignisse produzieren Lücken der Erklärbarkeit; Stilübungen des Nicht-Wissens; rationale Täter – irrationale Tat; europ. Monomanie; unspezifische Gewalt; Alles-oder-Nichts-Prinzip; Auslösungsprozesse; Massenreflex; Amok als Unfall; Whitman-Syndrom; Risiko-Wissen; der Amokläufer: ein Zufallsmensch; Transformaion des Bösen; der molekulare Krieg im inneren Frieden. Diskussion: Amok als Deregulierungsphänomen; kulturkritische Reflexe; der Amokläufer als Massen-Mensch; protopathische Reaktionen; das Soziale ist das Irrationale; Märtyrer als projektive Terroristen; der Partisan - Kleists Hermannsschlacht; Auflösungs- und Syntheseprobleme: Amokläufer und Märtyrer; Theatralität der Tat
Navid Kermani im Gespräch mit Roberto Ciulli: Ästhetik und Glauben
Osama Bin Ladens Arabisch; die Inszenierung des Video-Auftritts; Erscheinung als Kostüm; Al Quaida – Biografien mit Konversionserlebnis; die Erfindung der Tradition; unterschiedliche Sprachen: Orthodoxie und Bin Ladens Puritanismus; poetische Tradition versus erfundene Archaik; Wahabismus und Terrorismus; Bin Ladens McDonald-Islam; Pan-Bewegungen; »Islam» als Kultur existiert nicht – die Karikatur eines Konflikts; fiktionale Identitäten; Terrorismus von gestern; Christian Krachts 1979; islamistischer Terror als Verfallsprodukt der islamischen Republik; 1967 – das arabische Trauma; Terrorismus als Abfallprodukt; Iran; Poesie und Prophetie
Carl Hegemann: Einbruch der Realität:
Einbruch der Realität: eine Ambivalenzerfahrung; Hans Gygax: Das Weltende in Kürze von 1994; Dürers Stich Der Untergang von Babylon von 1496 und der Stadtplan von Manhatten 1896 – eine Überblendung; Vorurteil und Wahrheit; Menschen wollen keine Kontingenz; Paranoia; Wir leben, indem wir zurechtlegen; Ähnlichkeitsdenken; Realität im Zeichen von Not und Tod; Matrix; universelle Scheinhaftigkeit; Parolen-Geschichten; Notstand im Notstand; sich mit den Augen des anderen sehen oder mit eigenen Augen das Andere sehen – Ernst Jünger; Politik hält einen Dialog offen, den der Schrecken beendet; Diskussion: Opfer versus Vertrag – warum Osama Bin Laden entkam; Postheroismus; prophetische Kampfweise; von Descarts Zweifel zu Nietzsches Verzweiflung; die Kraft der Negation; die Sopranos und wir; Lenin heute – Jüngerkompatibel; politisches Theater