«Immer die Birgit»

Über die Schauspielerin Birgit Minichmayr
von Thomas Oberender

 

 

Ja, was macht sie denn? Sie spielt ja scheinbar gar nicht, sie glänzt mit ihrem Sein. Hat sie denn vor gar nichts Angst? Ihre Figuren gehen immer ein Stück weiter, als andere. Oder näher heran. Sie schaut sich, was im Leben andern und sich so passiert, sehr genau an, färbt es ein mit ihrer Fantasie, und macht daraus ihre eigene Figur. «Der Text ist mein Material», sagt sie, «daraus werde ich lebendig.» Sie spricht die Worte direkt und scheinbar ohne Manierismen, und trotzdem in Brüchen und abrupten Wendungen. Wobei sie ihre Worte jenem gestischen Text, den parallel ihr Körper spricht, manchmal einfach nur hinzufügt – leicht zeitversetzt, auf einer anderen Ebene, oder aber mit einem ganz gegenteiligen Ausdruck, als ein Widerspruch, aus dem dann plötzlich die Wahrheit spricht. Ihre Figuren schauen den Dingen auf den Grund, denn Illusionen können sich Birgit Minichmayrs Figuren nicht leisten. Auf ihre Träume aber bleiben sie angewiesen. Als Liebende sind sie naiv und wehrlos. Wobei ihrem Verlangen nach unbedingter Liebe das bedingte Leben kaum je gewachsen ist. Daher wirken ihre Figuren von offensichtlichen und diskreten Strategien der Selbstzerstörung bedroht, aber zugleich auch bedrohlich für alle anderen, die der Art, wie sie mit ihrer Einsamkeit umgehen, nicht folgen können.

Zweiundzwanzig Filme entstanden mit Birgit Minichmayr in den letzten neun Jahren, darunter zwölf Kinofilme. Kommen hinzu siebenundzwanzig Rollen auf den bedeutendsten Bühnen des deutschsprachigen Raumes, einige sogar mehrfach preisgekrönt, und Hörbücher, Lieder – Birgit Minichmayr muss mehrere Leben zugleich gelebt haben, um in einer so kurzen Zeit ein derart großes Werk hervor zu bringen. Wie geht das? Sicher nicht, indem die Künstlerin nur mit ihrem Dasein glänzt. Fleiß, Disziplin, Intelligenz, Exzess und Training, all dies mischt sich in ihrem Schaffen in nicht durchschnittlichem Maß. Sie ist eine moderne Schauspielerin, die ein hohes Bewusstsein für Formen besitzt, aber sich durch keinerlei überlieferten oder modisch geschätzten Stil absichert. Sie durchtränkt ihre Figuren mit ihrem ganz persönlichen Sound und Wissen, einer individuellen Furchtlosigkeit, Cleverness und Erotik, die diesen Film- und Bühnengeschöpfen stets die Suggestion einer tief vertrauten Authentizität verleihen. Aber, wie sie unlängst in der Zeitschrift APROPOS sagte – sie weiß schon, dass es «immer die Birgit» ist, die da spielt. Und sie hat diese Birgit als eine Figur in der Welt erkannt, mit der sie noch viel vorhat.

(Zur Birgit Minichmayr-Filmreihe in «Das Kino», Salzburg, 8. Juli 2010)