«The Audience Takes Over»

Narrative Spaces und Artist’s Games – Rimini Protokoll geht neue Wege des Erzählens
von Thomas Oberender

 

 

Arbeiten wie «Situation Rooms» oder «Hausbesuch» von Rimini Protokoll haben eine Werkform hervorgebracht, die, wie auch ihre Titel sagen, auf einer besonderen Örtlichkeit beruhen. Ihre szenischen Einrichtungen dienen zu nichts, wie dies in der Regel ein klassisches Theaterbühnenbild tut, sondern generieren Situationen, zugespitzt: sie handeln selbst. Es sind Erfindungen generativer Orte, die eine Handlung nicht aufnehmen, sondern hervorbringen. Was hier während der Stücke zu erleben ist, kommt nicht durch die Durchführung einer vorbereiteten Aufführung zu Stande, obgleich das Geschehen in hohem Maße auf strikten Verabredungen und klaren Regeln beruht. Aber mehr noch als eine Wiederholung vorgeprobter Vorgänge sind Situation Rooms und Hausbesuch Europa Arbeiten, deren Geschehen am Ort des jeweiligen Stückes erst entsteht. Es sind beides Darbietungen ohne Darsteller, zumindest ohne anwesende Schauspieler oder reale Personen, die anderen etwas vorspielen. Und in diesem Sinne sind beide Arbeiten auch Stücke ohne Zuschauer, denn die im Feld des Theaters übliche Trennung zwischen Produktion und Konsumtion ist in den Spielsets dieser Produktionen nicht möglich. Beide Stücke kennen nur Involvierte.