«Plötzlich wird es Kino»
3sat: Herr Oberender, was wünschen Sie sich von einer Inszenierung im Fernsehen?
Oberender: Dass sie einen guten Sendeplatz erhält. Und eine eigene Qualität entwickelt, die dem Transfer in ein anderes Medium entspricht. Sie muss zeigen, was ich im Theater so nicht sehe. Eben anders – ohne das «falsche Theater», das selbst bei den besten Aufführungen spürbar wird, wenn ich sie im Lautsprecher der Inspizientenanlage höre. Theater lebt von Überhöhungen, die im Saal selbst so nicht empfunden werden. In jedem anderen Medium aber sofort. Also braucht es eine Übersetzung der großen Inszenierungen in ein ästhetisch direktes Format wie das Fernsehen. Ein Filmregisseur wie Hannes Rossacher schafft diesen Transfer. Plötzlich wird es Kino.
Theaterinszenierungen ins Fernsehen zu bringen, ist ein sehr aufwendiger Prozess. Vor allem setzt er einen kreativen Austausch zwischen den Theater- und Fernsehmachern voraus. Von der Bühnengestaltung bis zu einzelnen Szenen muss alles aus dem Blickwinkel der Kamera betrachtet werden.
Ich glaube, dass die neunzig oder hundert zwanzig Minuten Sendezeit, die mit der Ausstrahlung einer Theateraufführung belegt werden, sehr, sehr kostengünstig produziert sind im Vergleich zu anderen Fernsehformaten. Große Gagen werden kaum noch gezahlt und es klappt dennoch, weil Theaterleute in der Regel sehr an hochwertigen Aufzeichnungen ihrer Arbeit interessiert sind, schließlich stellen sie in diesem ephemeren Geschäft eine der wenigen Möglichkeiten dar, etwas zu überliefern und mehr Leute zu erreichen, als vorm eigenen Theaterportal sitzen. Wer nicht nach Berlin zum Theatertreffen reisen kann, schaut seit ein paar Jahren tatsächlich bei 3sat, was dort läuft. Das ist ein großer Gewinn.
Haben Sie eine Idee, wie es Theater- oder Fernsehmacher schaffen können, mehr junges Publikum für Bühnen-Kultur zu interessieren?
Ich habe eher das Problem, wie wir das alte Publikum für das junge Theater interessieren. Die jungen Theaterbesucher kommen und ich denke, dass sich auch das Spektrum dieser Besucherschicht erweitern wird – es ist längst eine Mischung aus Publikumsfestival, Fachmesse und Nachwuchscampus. Wir haben eine ganze Reihe schneller Formate wie die Lesungen des Stückemarkts, das public viewing am Potsdamer Platz, oft ist der Eintritt frei und die Festivalplanung von Yvonne Büdenhölzer schafft eine Struktur, in der wir morgens diskutieren, abends Kunstwerke und Künstler erleben und nachts feiern – all das soll ein Fest sein, etwas, das uns in der Sache und in der Begegnung mit sehr besonderen Persönlichkeiten bewegt. Es enthält exklusive Momente, aber sie sind nicht elitär. Das versteht man auch mit 21.
Wie ergänzen Sie das Zitat von Shakespeare «Die ganze Welt ist Bühne und alle Frau’n und Männer bloße Spieler.»
Gar nicht. Es ist uns alles nur auf Zeit verliehen, das Betrachten dieses Schauspiels. Es geht nicht um uns. Für uns wird es immer andere geben. Ich bin der Nachfolger von Herrn Sartorius. Seine Schokokekskrümel sind noch in der Schreibtischschublade. Und deshalb erkennen wir uns auf der Bühne auch immer in anderen.
Sie waren bis Anfang des Jahres Schauspiel-Chef in Salzburg. Gibt es eine typisch österreichische oder deutsche Theaterlandschaft?
Ja, Sophie Rois ist eine typisch österreichische Theaterlandschaft in Berlin.
Wenn wir die aktuellen Probleme in unserer Gesellschaft betrachten und die Politikverdrossenheit ernst nehmen, wie politisch muss dann das Theater sein?
Sie müssen es nur «Politik» nennen, und alle werden verdrossen. Nennen Sie es «occupy-Bewegung», und wir werden inzwischen nostalgisch. Nennen Sie es Fabian Hinrichs, und wir werden neugierig.