«Die Anthroposphäre verlassen»

Geht es nur um uns? Theater im Anthropozän.  

Das ideal gedachte Drama, so der Literaturwissenschaftler Peter Szondi, realisiert all seine Abläufe ausschließlich in der Sphäre des Zwischenmenschlichen. Szondis Theorie des modernen Dramas von 1959 abstrahiert dabei die Vielfalt der damals praktizierten Theaterformen und entwickelt ein Idealbild des Dramas, das in seiner Reinheit so zwar kaum in der Literatur und Praxis zu finden ist, es aber erlaubt, Sonderfälle und Spielarten des autoren- und regiegeprägten Theaters in kohärente Muster zu bringen.

All den diversen Theaterformen ist gemein, dass sie die Vielfalt der Welt seit der Epoche der Aufklärung fest und ausschließlich an das Wirkungsfeld des Menschen koppeln. Für den Literaturwissenschaftler ist die Idee, sich primär auf die szenische Sphäre des Zwischenmenschlichen zu beziehen, daher der entscheidende Schlüssel. So kann auf der Bühne des idealen Dramas nur geschehen, was sich zwischen Menschen, also den Darsteller·innen der Figuren, ereignet. Es gibt keine Instanz, die von «außen» in diese Sphäre hineinsprechen darf – sei dies der·die Autor·in selbst, dessen·deren Statement eingespielt oder beiseite ge- sprochen wird, seien es Gött·innen oder Tiere. Zudem muss sich das gesamte Bühnengeschehen im Hier und Jetzt des Dialogs ereignen, also im Präsens, weshalb fast alle Theaterstücke in der Gegenwartsform der Aussprache zwischen Menschen aufgeschrieben sind.