«Die Ausstellung als zeitbasiertes Format»
Vortrag, Dresden 23.1.2020
(…) Der White Cube hält die Welt draußen und macht das Objekt zur Welt. Er löst die Dinge aus ihrer Einbettung und behandelt sie wie Bodenschätze. Sie werden, denken wir an ethnologische oder archäologische Objekte, ausgegraben, gereinigt und stehen uns ab da zur freien Verfügung. Der White Cube ist der Zoo der Dinge. Wo auch immer einzelne Spezies herkommen, heimisch sind und sich entwickelt haben – im Zoo werden sie in artifizielle und kontrollierte Umwelten versetzt, in künstliche Szenarien aus Beton und Bassins. Wir, die Superspezies «Mensch», spielen dieses Spiel mit Kreaturen ohne Chance und Stimme. Ich erwähne diese Geste des Ausstellens mit einem Seitenblick auf die Bestiarien, Zoos und Gärten der Neuzeit, weil ihnen eine machtvolle Haltung eingeschrieben ist, die heute zunehmend kritisch reflektiert wird.
Unsere neuzeitlichen Museen erscheinen heute als Trophäenzimmer. Und der seine Ausstellungsräume prägende White Cube steht innerhalb einer institutionellen Logik, die Dinge und Lebewesen isoliert, aus ihrer Einbettung löst. Der White Cube ist zugleich ein Ritualort[1], in dem wir diese Art der Anschauung lernen – als Sehen aus der Distanz, schweigend, schweifend. Er erinnert mich an den weißen Raum mit barock kassettierten Wänden und leuchtendem Glasboden am Ende von Stanley Kubricks Space Odyssee, in dem alles wie ein Exponat wirkt, auch jener Mann, der im Bett liegt wie aufgebahrt. Diese künstliche Kammer wird von Stanley Kubrick[2] als Ausstellungsraum von Menschen für die sie studierenden Aliens beschrieben – das Interieur eines französischen Barockpalais wird so zum Vivarium für Menschen, zum Showroom der menschlichen Spezies vor den Augen einer außerirdischen Zivilisation, die beobachtet, wie der Protagonist des Films David Bowmann altert, sich transformiert und schließlich als Starchild zur Erde zurück geschickt wird. Kubricks Raum macht mit Menschen, was Menschen sonst mit Dingen oder anderen Spezies machen.
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