«Wegbeschreibung» 

Über Bilder von Gerhard Richter und Stücke von Botho Strauß»
Laudatio auf Botho Strauß anläßlich der Verleihung des Lessing-Preises 2001

 

Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts, unterwegs auf der Autobahn Richtung Prenzlau/Stettin, Richtung Osten: polnische Lastwagen und kleine Fiats mit schwarzen Nummernschildern, lichte Kiefernwälder, dazwischen dunkle Seen, sanfte Hügel, Mulden, dann, weit hinter Berlin, auf dem Mittelstreifen einsame Bäume, im Sog der LKWs, zwischen den Leitplanken, meist Birken. Nach einer Stunde die Abfahrt, Kopfsteinpflaster, Schrittgeschwindigkeit, plötzlich mitten im Wald, oben brausen Laster vorbei, nach 100 Metern die Auffahrt auf die Landstraße. Sie führt an einem See entlang, schönes Wetter, kein Gegenverkehr. Im Dorf ein altes LPG-Gebäude mit einem Wandbild sozialistischer Landarbeiter und dem Namenszug «Bau auf». Immer der Hauptstraße folgen, sagte Botho Strauß und so komme ich am Ortsausgang zu einem Schild: Zum Vorwerk vier Kilometer. Ausgefahrenes Kopfsteinpflaster, die Straße verwandelt sich zu einer holprigen Allee, dann einige Häuser, rechts ein großer Platz, an dessen Längsseiten die Stallgebäude und Scheunen eines ehemaligen Gutshofes. Wo ist der Neubau, von dem Botho Strauß gesprochen hat? Schräg über den Platz, etwas zurückgesetzt ein neues Haus, davor noch ein kleineres und dann sehe ich im Garten einen Mann laufen, den ich von Fotos her gut kenne.