1990 war «Das Jahr der Utopien»

Ein Gespräch mit Erik Heier über das «Jahr der Utopien 1990» und die Gemeinsamkeiten mit Fridays for Future uns betreutes Wiedervereinen: «Wir sind nicht gleich». 

tipBerlin Herr Oberender, fast am Ende des Buchs steht: «Vielleicht kommt die nächste Generation von Gaia, vielleicht spricht sie mit uns durch Viren…» Sehr prophetisch!

Thomas Oberender (lacht) Ich bin ein großer Fan von Lovelock (James Lovelock entwickelte gemeinsam mit Lynn Margulis Mitte der 70er Jahre die «Gaia-Hypothese», in der die Erde und ihre Biosphäre wie ein Lebewesen betrachtet werden; Anm. d. Red.) und Bruno Latour. Meistens kommen Veränderungen aus unerwarteter Richtung. Das ist gerade mit dem Corona-Virus der Fall.

tipBerlin Ihr Buch basiert auf einem Vortrag in Athen im Juli 2019. Sie wollten rückblickend nie Ostdeutscher sein, weder in der DDR noch danach. Wann hat sich das geändert?

Thomas Oberender Das hat sicher mit dem Entstehen der AfD zu tun. Und der Zuspitzung ostdeutscher Klischees – nachdem wir 25 Jahre gerackert hatten, uns zu assimilieren: Wir sind wie ihr, wir sind auch fleißig, Demokratie ist nicht so schwer, wir haben’s gelernt. All das machten die Erfolge der AfD im Osten zunichte und festigten ein Bild der Ostdeutschen als Abendschüler der Demokratie, als Demokratieversager. Der Erfolg der AfD hat aber nicht nur seine Ursache in der DDR-Geschichte, sondern auch der Geschichte der Wiedervereinigung. Und davon erzähle ich in dem Buch.

tipBerlinSie sind in Jena geboren. Ihre Erwerbsbiografie spielte sich aber nicht im Osten ab: Bochum, Zürich, Salzburg, Wilmersdorf.

Thomas Oberender Ich will mich individuell auf dieses Ost-Thema nicht verhaften lassen. Aber mein Werdegang macht halt auch sensibel und die Marginalisierung der anderen Geschichtserfahrung von 16 Millionen Menschen prägt unsere Gesellschaft leider sehr stark.