«Eine Geisterbeschwörung»

Hans Höller und Thomas Oberender im Gespräch zu Peter Handkes Stück «Immer Noch Sturm»

 

 

In seinem neuesten Stück «Immer noch Sturm» versammelt Peter Handke seine Vorfahren unter einem Apfelbaum auf dem Jaunfeld und komponiert ein berührendes Familiendrama vor dem Hintergrund der Partisanenkämpfe der Kärntner Slowenen gegen die Nationalsozialisten. Das Handke ,sche «Ich» trifft auf seine Großeltern und deren Kinder: auf die eigene Mutter, seine Tante und Onkel. Die Familienmitglieder begleiten den Erzähler bis in die Träume, fliehen ihn wieder, schweigen – und stimmen schließlich einen polyphonen «Gesang auf das Leben» an. Anlässlich der Uraufführung von Immer noch Sturm bei den Salzburger Festspielen sprachen Schauspielchef Thomas Oberender und der Germanist Hans Höller über Handkes bewegende Zeitreise.

Hans Höller: Handkes Theaterstück geht von einem Traum aus, der für sein ganzes Schriftstellerleben wichtig geworden ist. Am 13. Jänner 1963 schrieb der Zwanzigjährige, der in Graz Jus studierte, seiner Mutter nach Griffen, er habe von seinem Onkel Gregor geträumt. Im Traum, den er gleich nach dem Aufwachen für die Mutter aufschreibt, sei er, als Gregor, im Krieg von seinem Feldlager aufgestanden und desertiert. Er wusste, dass er auf der Flucht seinen Bruder Hans treffen würde, der mit ihm gehen sollte. Dieser Traum enthält bereits bis in Details Handkes literarischen Mythos, der auf die Familiengeschichte der Mutter zurückgeht. Zwei Brüder der Mutter, Kärntner Slowenen, sind als zwangsrekrutierte Wehrmachtssoldaten im Hitlerkrieg gefallen, und diese Tragödie bildet das Zentrum von Handkes immer wieder neu abgewandeltem Familienmythos. In Immer noch Sturm ‚träumt‘ Handke für diese beiden Brüder eine andere Geschichte, in der sie als slowenische Widerstandskämpfer gegen den NS-Staat erscheinen.

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