Interview über das von Bruno Latour inspirierte Ausstellungsprojekt der Reihe «Immersion» am Gropius Bau
Ein wirklich innovatives Konzept versprechen die Berliner Festspiele für die Ausstellung «Down to Earth» im Gropius Bau. Die ausgestellten Kunstwerke, die temporären Installationen, Konzerte und Performances wurden und werden alle möglichst klimaneutral verwirklicht. Auch der Betrieb des Museums und die Organisation der Ausstellung wurden nach Klimaschutzgesichtspunkten unter die Lupe genommen und umorganisiert.
rbbKultur: Herr Oberender, war es für Sie eine Frage der Glaubwürdigkeit, bei einer Ausstellung über Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Ausstellungsmacher selbst möglichst nachhaltig zu sein?
Oberender: Im Grunde ist es eine Politik, die wir seit einigen Jahren verfolgen. Wir sind seit 2013 in einem Umweltschutzprogramm. Wir messen alles, was wir verbrauchen. Wir veröffentlichen die Zahlen und wir reduzieren Müll. Aber bei einer Ausstellung über Klimaschutz, über die Klimawende, reicht es nicht, die entsprechenden Bilder an die Wand zu hängen, sondern wir müssen auch in der Praxis Veränderungen vornehmen. Das liegt auch in der Politik von Stephanie Rosenthal, die hier in den letzten anderthalb Jahren tolle Ausstellungen gemacht hat, auch zu diesem Thema. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter und verändern selbst auch tatsächlich noch die Arbeitsweise.
rbbKultur: Der Gropius Bau ist ein großes altes Haus. Bekommt man da den Betrieb überhaupt klimaneutral hin - oder sprechen wir eher über symbolische Einsparungen?
Oberender: Wir sprechen über mehr als symbolische Einsparungen. Aber Klimaneutralität ist nicht zu schaffen mit einem Haus dieser Größe. Wir haben eine Photovoltaikanlage, die ungefähr 3,5 % unseres eigenen Bedarfs deckt. Hauptbedarfsverursacher ist die Klimaanlage. Das haben wir zu Teilen ändern können, ohne gegen die mit Sammlern und Versicherungen vereinbarten Verpflichtungen zu verstoßen. Aber wir haben auch auf anderer Ebene sehr viel verändert. Wir sind für das Projekt »Down to Earth» – bis auf eine Corona-bedingte Ausnahme – nicht geflogen. Alle kommen mit dem Zug. Wir verwenden nur eine Farbe in unseren Publikationen, eine Meeresalgenfarbe. Alles ist aus Recyclingmaterialien – die auch gar nicht so neu sind in unserer Praxis. Auch der Gropius Bau arbeitet nachhaltig mit den Ausstellungsmaterialien. Wir haben vieles verändert, was auch nach dem Projekt weiterwirken wird.
rbbKultur: In Ihrem Programm klingt vieles sehr spannend. Sie haben zum einen Bruno Latour eingeladen, einen Vordenker einer ökologischen Philosophie. Doch wie stellt man einen Denker eigentlich aus?
Oberender: Wir stellen ihn nicht aus. Bruno Latour hat einen Arbeitsraum bei uns, in dem seine Studierenden und künstlerische Mitarbeiter*innen vier Wochen lang präsent sind. Er selbst kommt am letzten Ausstellungswochenende, gibt einen Workshop, hält eine Vorlesung und wird auch mit künstlerischen Arbeiten vertreten sein. Aber insgesamt ist »Down to Earth» eine Kunstausstellung auf über 2.000 Quadratmetern, die verschiedene Positionen zeitgenössischer Künstler*innen zu diesem Thema repräsentiert. Auch von einem Kuratoren-Team, das sehr unterschliche Perspektiven einnimmt.
rbbKultur: Sie haben auch die Künstlerin Joulia Strauss eingeladen, die in der Sowjetunion geboren wurde, im Volk der Mari, einer der letzten indigenen Kulturen in Europa mit einer schamanistischen Tradition. Was wird diese Künstlerin zur Ausstellung beitragen?
Oberender: Wir zeigen zwei Skulpturen, die Joulia Strauss gestaltet hat. Gleichzeitig ist sie eine Künstlerin, die aus einem aktivistischen Ansatz in Athen ein eigenes Akademieprogramm entwickelt hat. Dabei ging es um die Rettung eines öffentlichen Stadtraumes, der der Ort war, wo vor 2.000 Jahren Platons Akademie gegründet und durchgeführt wurde und der im Zuge der Wirtschaftskrise überbaut werden sollte. Das hat sie abgewendet durch ein künstlerisch-philosophisches Akademieprojekt, das seitdem weiter besteht und das wir eingeladen haben. Zentral stellt es die Frage: Wenn wir ein Problem mit der Natur haben – von wem können wir lernen, der keines hat? Das ist vor allem ein indigenes Wissen. Joulia Strauss ist auf verschiedene Kontinente gereist und hat es tatsächlich geschafft, Leute, die an vorderster Front für den Erhalt ihres Environments kämpfen, zu sprechen, die sehr bedroht sind. Sie hat sie porträtiert und viele dieser Porträts und Geschichten werden in der Akademie auch präsentiert.
Das Gespräch führte Frank Meyer, rbbKultur