Liebe Leser*innen,

der März ist für mich Nach-Berlinale-Zeit, Frühlingsbeginn, jetzt treibt es mich wieder nach draußen ans Licht und ab und an abends zu Konzerten. Nach vielen, vielen Filmen endlich wieder etwas nur hören – oder lesen: Im Haus der Kulturen der Welt beginnt die neue Reihe »On Music« mit Vorträgen, Panels, Musik, Installationen und mehr; zur Eröffnung am 5. März zum spannenden Thema »Life after Music Magazines – the Norient Way« mit einer Reflexion über Musikanalyse und -kritik in Zeiten sterbender Printmedien und wachsender digitaler Diskussionsforen. Die Auseinandersetzung mit dem Erbe Beethovens hat dieses Jahr auch die zeitgenössische Musik erfasst – im »Labor Beethoven 2020« lässt die Akademie der Künste Komponist*innen aus Europa und Israel über dieses Vermächtnis reflektieren.

Das Zeiss-Großplanetarium ist als offener Ort für Musikformate bekannt. Nach dem Abend »Le voyage abstrait« mit DJ Raphaël Marionneau am 7. März, und einem Programm mit Dr. Motte am 20. März, wird es dieses Jahr zum ersten Mal von MaerzMusik bespielt: am 23. März mit der für »Immersion/New Infintiy« entstandenen Arbeit »Non-Face« von Robert Lippok & Lucas Gutierrez – und anschließend mit der »Trilogie de la Mort« von Èliane Radigue, einer dreistündigen Reise durch die elektronischen Klangwelten einer Ausnahmegestalt der frühen Elektronik-Ära. Eine andere Wiederentdeckung ist für mich die die Ausstellung zu dem Komponisten, Lehrer und Künstler Halim El-Dabh, die MaerzMusik zusammen mit SAVVY Contemporary realisiert. Dank solcher »Ausgrabungen« und den wiederkehrenden Erfahrungsräumen »Thinking Together« oder »The Long Now« im Kraftwerk Berlin ist MaerzMusikfür mich immer ein eye-, ear- und mind-opener. Raum und Klangraum verbinden sich aufs Schönste auch in der Philharmonie – am 15. April stehen hier sechs Flügel auf der Bühne und entfalten ihre Sogwirkung aufs Publikum mit Steve Reichs »Six Pianos« und Terry Rileys »Keyboard Study #2«.

Zeit als immaterielle, zwischenmenschliche Gabe ist ein zentrales Thema der Kunst von Lee Mingwei aus Taiwan – die Einzelausstellung »Geschenke und Rituale« mit seinen Performances und Installationen der letzten drei Jahrzehnte eröffnet am 27. März im Gropius Bau. Ganz dem musikalischen Ritual widmet sich der noch junge Veranstaltungsort au topsi pohl mit drei Tagen Gnawa Musik. Daran schließen sich die Abende im KM28 mit »Feldman’s Patterns in a Chromatic Field« und im ausland mit Hanno Leichtmanns Installation »Tangente, Sekante, Passante« an. Also – Frühling überall! 

Dr. Thomas Oberender ist Autor und Dramaturg und seit 2012 Intendant der Berliner Festspiele. Er gestaltet dort die Programmreihe Immersion, entwickelt in ihr zeitbasierte Ausstellungen und öffnet Planetarien für Arbeiten von Künstler*innen des digitalen Zeitalters.