«In einem anderen Land»

Stephan Kimmig inszeniert «Groß und klein» von Botho Strauß im Theater Heidelberg
Notizen zum Stück von Thomas Oberender.

 

 

(…) Nach dem jugendlichen Angriff auf die Väterwelt begann in den Siebzigern die Ankunft bei sich selbst – eine neue Subjektivität folgte auf die große Kollektivität, begleitet von der kritischen Reflexion der eigenen Bürgerlichkeit, gegen die kurz vorher noch heftig angekämpft wurde. Heute erscheint die (durch 68 liberalisierte) Welt der 70er Jahre  bunt und spassig: da sind Kermit der Frosch und das Krümelmonster, die ersten Talk-Shows im Fernsehen und ein Film wie «Das grosse Fressen» von Marco Ferreri. Es verhalf Lebensmustern und Typen zur Durchsetzung, die bis in die 90er das gesellschaftliche Leben dominieren. In «Gross und klein» ist bereits jene ganze Welt erwachsen, die heute noch unsere Gegenwart als ererbtes oder beschertes Lebensgefühl überdeckelt. Daß die Heldin Lotte-Kotte aus Lennep inmitten der modernen Verhältnisse, die all 68 erkämpften Liberalisierungen überhaupt erst ermöglicht haben, plötzlich überrumpelt ist von deren Konsequenzen, der Bindungslosigkeit und neuen Selbstbezogenheit, in der sie nun dasteht, rührt einen bis heute an. Auch die RAF, sie wohl am wenigsten, hätte für Lotte retten können.