«Limits of Knowing»

«Limits of Knowing» erkundet die äußersten Grenzen rationalen Wissens. Inspiriert von der Agnoseologie – der «Lehre der Unerkennbarkeit» – lädt das interdisziplinäre Programm zum Gleiten zwischen Vernunft und Vorstellung ein: In unserer Wissensgesellschaft unpopuläre Kompetenzen wie Ahnung, Befremden und Verblüffung führen die Besucher*innen in Tiefen künstlerischer, wissenschaftlicher und philosophischer Fragen. Mithilfe neuester technischer Geräte, wie mit Sensoren ausgestatteter Kleidung, Smartphone Apps und VR-Brillen, oder analoger Methoden wie Szenografie oder Narrative Spaces verwandeln immersive Kunstwerke Ideen in sensorische Erfahrung, Konzepte in «empfundenen» Sinn und hinterfragen unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit. Teil des Projekts war das Ausstellungssegment «Arrival of Time», kuratiert von Isabel de Sena. Sein Ausgangspunkt war die Presemitteilung des LIGO Caltech/MIT, 11.02.2016: «Am 14. September 2015 um 05.51 Uhr Eastern Daylight Time maß das LIGO (Laser Interferometer Gravitation Wave Observatory/Laser-Interferometer Gravitationswellen-Observatorium) erstmals kleine Wellen im Stoff der Raumzeit – die aus einem fernen Universum stammen und infolge eines kataklysmischen Ereignisses zu uns auf die Erde gekommen sind.» Seit über 100 Jahren – seit Einstein – ist bekannt, dass die Zeit eine inkonstante physische Quantität ist. Ein Jahrhundert lang blieb dieses Wissen jedoch ein theoretisches. Unter allen möglichen Veränderungen der drei Hauptkomponenten des Universums – Raum, Zeit und Energie – war die Fluktuation der Zeit die einzige, die sensorisch nicht nachvollziehbar war. Das hat sich jedoch am 11. Februar 2016 geändert. An diesem Tag konnte das LIGO Caltech & MIT erstmals von Zeitfluktuation berichten, die mithilfe des sensibelsten Geräts gemessen wurde, das die Menschheit jemals konstruiert hat. Die Ausstellung «Arrival of Time» zelebriert ebendies: die Ankunft der Zeit in ihrem neuen Gewand als ununterdrückbar lebendiger Bestandteil des Universums. Um ein Verständnis dieses paradoxen Phänomens zu schaffen, bedient sich «Arrival of Time» immersiver Ästhetiken mittels Arbeiten, die speziell für diese Ausstellung geschaffen wurden: von Rana X. Adkhikari, William Basinski, Rainer Kohlberger und Evelina Domnitch & Dmitry Gelfand. Durch sinnliche Erfahrungen ermöglichen sie Annäherungen an jene Phänomene, die wir rational noch nicht erfassen können. Sie laden ein in ein «Black Hole Theater», zur sinnlichen Überwältigung durch Quantenfluktuationen oder machen Sie bekannt mit dem Inhaber des komplexesten Wahrnehmungsapparates im Tierreich. Das Studierzimmer in der Ausstellung lädt die Besucher*innen ein, sich dort aufzuhalten, die Bücher der Bibliothek einzusehen und sich mit diesem erstaunlichsten aller Phänomene zu beschäftigen.

«Go in instead of look at» – dieses Motto von Allan Kaprow ist das ästhetische und gesellschaftspolitische Leitmotiv des Programms «Immersion», in dessen Rahmen Werke präsentiert werden, die nicht betrachtet, sondern betreten werden wollen und sich in dem Projekt «Limits of Knowing» oftmals im Grenzbereich zwischen Ausstellung und Aufführung bewegen.Dies prägt den aus drei Ausstellungswelten kreierten Parcours mit Kunstwerken über die Grenzen des Wissbaren und andere Formen des Wissens an der Schnittstelle zur Astrophysik, Tod oder rein sensorischen Welten.  

Mit Chris Salter + TeZ, Mona el Gammal, Arrival of Time (Isabel de Sena), Rimini Protokoll, Rana X. AdhikariWilliam BasinskiRainer KohlbergerEvelina Domnitch & Dmitry Gelfand u. a.

Künstlerische Leitung: Thomas Oberender und Joanna Petkiewicz. Projektleitung: Agnes Wegner. Programmkoordination: Marie-Kristin Meier, Joanna Petkiewicz, Jutta Wangemann. Gastkuratorin: Isabel de Sena

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