«Talk 2: Palermo Palermo - Tanz im Zeichen der Krise?»
Ankündigungstext:
Im Dezember 1989, kurz nach dem Fall der Berliner Mauer, brachte Pina Bausch das Stück «Palermo Palermo» heraus, das mit dem Einsturz einer Mauer beginnt. Wie zeitgebunden aber sind gesellschaftliche und politische Bezüge im Werk von Pina Bausch? Oder ist gerade die Vieldeutigkeit, die eine eindeutige Lesart der Stücke in Bezug auf gesellschaftliche Verhältnisse oder politische Ereignisse verhindert, ein Garant für die sich stets erneuernde Aktualität? Wie politisch kann Tanztheaterüberhaupt sein? Wie stand, wie steht es um das Verhältnis von Kunst und Politik?
Es diskutieren:
Thomas Oberender, Intendant Berliner Festspiele
Peter Pabst, Bühnenbildner von Pina Bausch
Penelope Wehrli, Künstlerin
Moderation: Dr. Dorion Weickmann, Redaktion Zeitschrift «tanz»
Im Rahmen der Ausstellung «Pina Bausch», Lichtburg im Lichthof des Martin Gropius Bau
Penelope Wehrli sagt, dass «narrative spaces» und immersive Theaterräume eigentlich funktionieren wie ein Puppenhaus.
Peter Pabst sagt, dass «Bühnenbilder keine Geschichten erzählen sollen, weil wir sie zu schnell verstehen.» Bühnenbildner, würde ich sagen, nachdem ich ihn erlebt habe, sollen aber unbedingt Geschichten erzählen.
Was hat Boris Groys über die Kabakovs geschrieben?
Penelope Wehrli empfiehlt die Arbeit des Künstlers Christoph Büchel in der Kunsthalle Basel.
Sie sagt: «Wir existieren jeder in unserer individuellen Zeit.» Und ich deute das so, dass sie damit betonen möchte, dass wir es als tendenziell gewaltsam empfinden, wenn wir mit der zentralen Zeit der Bühne konfrontiert werden. Jede Ausstellung, mehr noch jeder immersive Raum erlauben uns in der individuellen Zeit zu bleiben. Eigentlich möchte ich die Ereignisse selbst kreieren.
Als die Performance-Kunst zur Aktionskunst wurde, entstand das Echtzeittheater (Forced Entertainment, Schlingensief, Rimini Protokoll).
Ich frage mich, ob heute wirklich noch jemand ein «Bühnenbild» machen möchte. Es sind doch längst selbst auf jeder Guckkastenbühne eher Environments oder, wo wir in das Bild eintreten können, Erzählparcours.
Ein Bühnenbild kann nicht nichts erzählen.
Peter Pabst über «Palermo, Palermo»: «Für uns war der Fall der Mauer ein enormer Akzent gewesen. Nichts interpretierbares.» Er spricht über dieses historische Ereignis wie über einen speziellen Moment in einer Partitur. Man muss mit ihr umgehen, sie verdeutlicht etwas, aber die Bedeutung bleibt frei.
Pina Bausch hatte, so Pabst, einen sehr schönen Vertrag in Wuppertal: 90 Aufführungen im Jahr. Davon 30 im Ort Wuppertal. Damit ließ sich gut leben.
«Realität statt Realismus!» Peter Pabst, als Kommentar zur Erde, dem Wasser, den Mauersteinen, dem Feuer auf seinen Bühnen. Er konnte Ungewissheit aushalten.
Pina Bausch: «Ich kann keine Häuser tanzen.», sagte sie, wenn man sie bei Tourneen immer wieder zu Stadtführungen einlud. Sie wollte Menschen sehen. Den zitierten Satz hätte Forsyth wahrscheinlich nicht gesagt.
«Auf welche Weise kann ich meine eigenen Wahrnehmungsgewohnheiten unterwandern? Daraus entstehen neue Formen. Was sehe ich? Warum sehe ich das? Was kann anderes passieren?» Penelope Wehrli. Sehr sympathische Begegnung.