«Reise durch Israel» 

Acht Briefe an Friedrich Schiller
von Thomas Oberender

 

 

1999 luden mich die «Schillertage» in Mannheim dazu ein, einen Vortrag zu halten. Aufgrund der zuvor bereits für diese Zeit verabredeten Reise nach Israel wollte ich absagen, was aber zu großem Verdruß der Veranstalter führte. Also schlug ich vor, von meiner Reise dem Festival täglich «Briefe an Schiller» zu schicken. Die Idee spielt mit dem Format von Schillers «Briefen zur ästhetischen Erziehung», die ich damals intensiv gelesen habe, und Strukturähnlichkeiten wie der,  dass die Staatsgründung Israels und die Idee des «neuen Hebräers» überraschend nah an Schillers Idee der ästhetischen Erziehung ist, die ja ihrerseits auf einen »neuen Menschen» zielt, wie er durch einen von Schiller neu begriffenen und anders funktionierenden Staat hervorgebracht werden soll. Daher nahm ich Schillers «Briefe zur ästhetischen Erziehung» mit auf die zehntägige Reise (organisiert von der Bundeszentrale für politische Bildung) und schrieb, damals noch ohne Laptop und nur mit einer Diskette ausgestattet, in den verschiedensten Businesslounges und Büros der besuchten Hotels Nacht für Nacht insgesamt acht Briefe an Schiller. Ihnen voran stellte ich kurze Vignetten mit Beobachtungen, die den Briefen wie Wortbilder eine spezielle Impression hinzufügen. Dies alles schickte ich per Fax nach Mannheim und hielt so einerseits mein Versprechen, andererseits entstand ein hybrider Text, der heute, Jahre nach dem Bau der Mauer in Israel, weiteren Siedlungen, Vergeltungsangriffen in Gaza und palästinensischen Messerattacken nach der Ruhe vor dem Sturm klingt, obwohl ich damals keine Ruhe empfand.