«Lass dich nicht verhärten»

Über die kulturpolitischen Auswirkungen der Wahl in Thüringen und Sachsen

Von Thomas Oberender

 

Auf dem Vorplatz des Theaterhauses Jena entdeckten zwei spielende Kinder im September 1997 einen Koffer mit aufgeschmiertem Hakenkreuz und lieferten ihn im Theater ab, in der Annahme, es handele sich um ein vergessenes Requisit. Als dort am darauffolgenden Tag jemand den Koffer öffnete, war der Schreck groß, als sich in seinem Inneren eine funktionsfähige Bombe mit 10 Gramm TNT befand, allerdings fehlte dem Zünder die Batterie.

Diese Bombe war eine Warnung, platziert vom Jenaer NSU, bevor die Täter ein Jahr später in den Untergrund gingen und eine die gesamte Bundesrepublik erschütternde Mordserie an Menschen mit migrantischem Hintergrund begingen. 

Ich entnehme diese Geschichte dem Buch «Volkstheater» des Journalisten und Autors Peter Laudenbach, der akribisch rund 100 Fälle von Übergriffen rechtsextremer Akteure auf Festivalmacher, Intendanten, Kulturbloggerinnen oder Galeristen zwischen 2016 und 2021 recherchiert hat. Er analysiert die in ihnen sichtbarwerdenden Muster des rechtspopulistischen Kulturkampfes und darüber hinaus das Entstehen von Bedrohungsallianzen, die von den kulturpolitischen Statements der AfD in den Landesparlamenten ausgehend zu Feindbildmarkierungen und Einschüchterungspraktiken durch rechtsextreme Akteure jenseits des Parlaments führten und führen. 

Diese Chronik eines neurechten Kulturkampfes verdeutlicht, dass der Wahlerfolg der AfD in den neuen Bundesländern die Kulturpolitik nicht erst noch verändern wird, sondern längst schon verändert hat. Dass diese Kofferbombe vor dem Theaterhaus Jena stand, betrifft mich auch ganz unmittelbar, da ich in Jena aufgewachsen bin, meine ersten Theateraufführungen in diesem Theater sah und dorthin später auf Gastspielen des Theater Rudolstadt als Bühnentechniker zurückkehrte. Ich habe einen Großteil meines Arbeitslebens genau jener Welt gewidmet, für deren Sprengung es nur einer Batterie bedurft hätte.