«Die dritte Geburt»
von Thomas Oberender
27. Oktober 2016. Die von mir vor einiger Zeit auf nachtkritik.de veröffentlichten «Thesen zur Kulturpolitik» waren unlängst die Leitgedanken des fünften «Kulturkongresses Ruhr». Die Thesen sollten nicht nur Veränderungen in den Fördermodalitäten von Kunst beschreiben, sondern auf einen Kulturwandel hinweisen, den David Rushoff als «Gegenwartsschock» und Luc Boltanski und Éve Chiapello als «Projektkapitalismus» beschrieben haben. Die Thesen sind eng verbunden mit dem Entstehen einer neuen Kreationskultur, die zur Kehrseite unseres institutionellen Produktionsgefüges wurde, wie es einst die Interpretenkunst hervorgebracht hat. Ausgehend von den zehn Thesen folge ich in meinem Vortrag dem Wunsch der Veranstalter, das Ruhrgebiet mit den Augen des Auswärtigen zu betrachten und Ideen zu entwickeln, die aus dem Abstand heraus vielleicht inspirierend wirken.
Das Ruhrgebiet, wie wir es heute kennen, wurde zwei Mal geboren.Einmal von der Industrie und einmal vom Krieg, bzw. dem Nachkrieg, dem Wirtschaftswunder. Die Frage ist, wie das Ruhrgebiet ein drittes Mal und diesmal als «Ruhrmetropole» geboren werden kann.
Kindern, die im Revier aufgewachsen sind, braucht man mit den guten Zeit nicht mehr zu kommen: Die Bergleute-Romantik ist vorbei. Die ökonomische Funktion vieler Orte ging verloren, die neue Bedeutung der Städte und ländlichen Regionen ist oft sehr unspezifisch. Wie nehme ich diese Veränderungen aus der Ferne wahr? Es gibt einen Generationenwechsel, der es z.B. den Museen und Konzerthäusern schwer macht. Die Generation der unter Dreißigjährigen kommt nicht mehr einfach so ins Museum. Andererseits stirbt die Generation der Sponsoren aus, die eben mal fünfzigtausend Euro und oftmals weit mehr gegeben haben und so viel zum Reichtum der lokalen Kunstproduktion beigetragen haben. Abgelöst wird diese Generation von jungen Vertriebsleuten, die fragen, welche Extraleistungen sie für ihre zehntausend Euro erhalten. Und mit einer anderen Erwartungshaltung haben es die Museen und Theater auch bei den jüngeren Besuchern zu tun: Vielleicht stimmt es, dass deren Aufmerksamkeitsspanne abnimmt, und sie sich nur noch konzentrieren, wenn sie mitmachen können?
Vielleicht wollen sie in Museen etwas anderes und es anders erleben. Die Postinternet-Generation ist mit der gleichzeitigen Präsenz in mehreren Räumen aufgewachsen, mit der selbstverständlichen Erfahrung von Partizipation und Interaktion im digitalen Raum, immersiven Erlebnissituationen im Gaming, das nur noch Involvierte und kaum mehr distanzierte Betrachter kennt, Mitspieler statt Anbeter. Die digitale Kulturrevolution bedeutet nicht, dass wir nun überall mit neuen Interfaces und Medien zu tun haben, sondern dass sich der Materialbegriff, die Erzählstrategien und Erlebnissituationen von Kunst in vielen Bereichen ändern, auch wenn dies natürlich nicht alles ändert und wir weiterhin klassisches Guckkastentheater oder eindrucksvolle Dingschauen erleben werden. Dennoch: Die Zukunft wird stärker jene belohnen, die sich den Prozessen öffnen, bzw. soziale Situationen als Kern der künstlerische Werkformen ermöglichen, und dies wird die Produktionsbedingungen und auch die Erlebnisangebote unserer traditionellen Kulturinstitutionen herausfordern und sicher auch verändern.
Zu den folgenreichen Veränderungen zählt im Ruhrgebiet auch eine Landflucht ganz neuen Ausmaßes, da sie eigentlich eine Flucht aus mittelgroßen Städten in die wenigen Metropolen wie Düsseldorf oder Köln ist. Dies geht einher mit der zweiten großen Kraft der kulturellen Umgestaltung dieser Region, welche neben der digitalen Revolution jene der fortschreitenden Diversifizierung unserer Lebensverhältnisse ist, was sich im demografischen Wandel niederschlägt wie auch im Wandel dessen, was als neue – bislang vor allem parallele postmigrantische – Kultur im Ruhrgebiet, aber genauso bundesweit, entsteht. Also ist die Diversität für das Ruhrgebiet ein besonders wichtiger Fakt, der sich in der kulturpolitischen Arbeit wieder spiegeln sollte. «Kultur», so denke ich, muss man im Ruhrgebiet anders denken.
Braucht man hier eine Fashion- oder Artweek wie in Berlin? Es gilt eine schwierige Balance zu finden – zwischen Provinzialismus, der vermieden werden muss, und der notwendigen Feier des Lokalen, das eben nicht nur das Retro-Melancholische meinen darf, sondern die interkulturelle Situation seiner neuen Bürgerschaft, wie auch die kulturellen Einflüssen aus den Nachbarländern. Diese Brücken nach Belgien, Holland und ins nahe Frankreich sind ein großes, noch kaum genutztes Kapital.
Bei den Ballungen, die das Ruhrgebiet in einem großen Festival wie der Ruhrtriennale herstellt, muss es Energien erzeugen, die Menschen aus Gent und Utrecht anlockt. Aber das gelingt ihnen auch mit dezentralen kontinuierlich arbeitenden Netzwerkknoten wie Pact Zollverein, wo inzwischen auch Kompanien aus England proben. Es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen einem solchen Knoten-Ort und dem Schauspielhaus Bochum. Es geht nicht um die pure Abwägung zwischen Institutionenförderung alten Typs und Projektförderung. Interessant ist doch, dass freie Produzenten heute wie Kleinunternehmer organisiert sind, eigene Vorsorgesysteme schaffen und sich um sie herum eine Korona aus Produktions- und Kommunikationsagenturen als «flüssige» Firmen bilden. Der neu entstandene «Kulturförderplan NRW» zeigt hier auf Landesebene in die richtige Richtung, weil er einen erweiterten Begriff der künstlerischen Praxis zugrunde legt und die Förderung von Büro-, Atelierräumen und Residenzprogramme mit einbezieht. Es sind die zahlreichen Festivals und Aktionen der Community-Projekte, die genauso wie die Arbeit der kulturpolitischen «Leuchttürme» dafür sorgen, dass Menschen bleiben und hier etwas aufbauen.
Das Projekt «Flickwerk» der Urbanen Künste Ruhr oder die «Zukunftsakademie NRW» sind gute Modelle, denn sie stärken Communities und Belange, die sich selber dezentrale, rhizomartige Strukturen schaffen – Archive, Netzwerke, Veranstaltungen, die nicht «kuratiert» werden, sondern auf anderen Kreationsmodellen von Solidarität und kommunalen Körperschaften beruhen. Diese «postkuratorischen» Ansätze könnten, in Ergänzung der großen Kuratorenfestivals und Ausstellungen, für das Ruhrgebiet sehr interessant sein, weil sie auf die nichtprovinzielle Lokalität der vielen Ruhrgebiets-Communities setzen. Ich verstehe das als eine progressive Kulturförderung des Regionalen, aus der zudem gute Kunst entstehen kann.
Hinzu kommt noch folgende kulturpolitische Prämisse an die Politiker: Es ist wichtig, zwischen Kunst- und Kulturförderung zu unterscheiden: Es ist nicht das Gleiche. Trauen Sie sich, Kunst zu fördern. Unterscheiden Sie außerdem zudem zwischen Institutionen mit exklusivem Produktionsauftrag, die anständig ausgestattet werden müssen, und den Institutionen neuen Typs, die z.B. Produktionshäuser sind, Häuser ohne Sammlung oder Ensemble, die auf Kooperationen, Netzwerke und internationalen Austausch bauen und achten Sie auf die sich abzeichnende Hybridisierung dieser Modelle.
Denn die «Projektförderung» ist nicht mehr auf die sogenannte «Freie Szene» beschränkt – seit langem diffundieren die Bereiche zwischen ihr und den klassischen Institutionen. Auch der Schematismus der «progressiven Freien Szene» gegen das «altmodische Stadttheatersystem» und anderer Institutionen ist aus heutiger Sicht ein falscher Antagonismus. Die wirkliche «Systemgrenze» verläuft heute meiner Meinung nach eher zwischen den exklusiven und kooperativen Produzenten – entlang dieser Grenze organisiert sich die Infrastruktur und Arbeitsweise der Künstler, aber auch der zuständigen Förderstruktur und eines damit assoziierten Marktes an Dienstleistern. Reflektieren Sie zudem die Grenze zwischen Kulturveranstaltern und Kulturverwaltung – sie sollte nicht verwischen, auch bei besten Vorsätzen. Und vor allem: Die Planung sollte nicht von den Gebäuden, sondern von den Leuten bestimmt sein. Man kann schnell die künstlerischen Milieus identifizieren, die Räume brauchen, hingegen es ein mühsames Geschäft ist, Räume zu sanieren, für die man später Leute sucht. Zu viele immer wieder neue Riesenhallen können irgendwann selbst die Ruhrtriennale in einen produktionstechnischen Notstand treiben, denn die Räume selber haben ja keine Infrastruktur und kein Personal.
Und hier nun einige Ideen, die angesichts meiner kurz skizzierten Sicht aufs Ruhrgebiet anregend wirken können: Erstens – vor vielen Jahren hat die Landesregierung von NRW Gerard Mortier geholt, um die Industriehallen mit zeitgenössischer und vor allem performativer Kunst zu bespielen – Oper, Theater, Tanz. Angesichts des enormen Reichtums der in der Region ansässigen Sammlungen wäre mein Vorschlag für den Bereich der bildenden Kunst, dass Sie alle drei Jahre die besten Kunstkuratoren der Welt ins Ruhrgebiet einladen – Okwui Enwezor zum Beispiel oder Carolyn Christov-Bakarghiew, um aus den Beständen der Sammlungen in NRW eine Metaausstellung im Bereich bildender Kunst zu kreieren, die sie in einer der großen Triennalehallen zeigen – als eine Neubetrachtung der Museen der Region, es könnten ja auch die Technikmuseen oder Sammlungen jeder Art sein, und die sie danach auf eine Reise durch andere Städte Deutschlands oder Europas schicken.
Zweitens: Es braucht Produktionsräume für Künstler – NRW müsste eigentlich das Mekka für junge Künstler sein. Warum gibt es für die visuellen Künste hier keine Baumwollspinnerei wie in Leipzig? Gibt es nicht exzellente Kunsthochschulen und gute Galerien im Revier? Und neben der Unterstützung aufstrebender, junger künstlerischer Milieus stellt sich natürlich die Frage: Wo sind die berühmten Künstler? Pina Bausch verbindet sich mit Wuppertal, Tony Cragg auch – gibt es eine Entwicklungsgesellschaft, die Künstlern dieses Formats gute Bedingungen schaffen kann? Und diese Frage weiter gedacht: Was wären die Künstlerkolonien von heute? Welchen Menschen schweben heute utopische Projekte vor, andere Lebensweise und alternative Arbeitsformen? Was sind die Gartenstädte von heute? Von den Menschen her denken heißt sie zu unterstützen, statt Nutzungskonzepte für kostspielig resozialisierte Industriegebäude zu suchen.
Eine dritte Idee reagiert auf die permanente Geldnot der kulturellen Einrichtungen: Gibt es nicht andere Konstruktionsmodelle kommunaler Betriebe, die z.B. neue Gesellschaften gründen, in welchen Gewinnbetriebe (wie Elektrizitätsbetriebe oder Wohnungsgesellschaften) mit Verlustbetrieben (wie Museen und Theater) verkoppelt werden, weil dies auch aus steuerlichen Gründen von Vorteil ist. Ein junges und gut funktionierendes Modell ist die gemeinnützige GmbH, in der sich das Museum Marta Herfurt befindet. Denn die kommunalen Lasten sind im Ruhrgebiet extrem hoch – der Kommunalisierungsgrad der Kosten für Kultur ist hier der höchste in ganz NRW. Um so dringender sind neue Konzepte. Ein anderes Modell ist der noch relativ junge Kulturfond Frankfurt RheinMain, der die Transformationsregion durch die gezielte Lenkung von Landesmitteln in die Regionen Hessens fördert, indem die regionalen Etats innovativer Projekte vor Ort durch das Land verdoppelt werden.
Eine vierte Idee oder Anregung ist die, Schönheit dort zu sehen, wo scheinbar keine ist. Es werden noch immer Ikonen der zweiten, bundesdeutschen Gründerzeit abgerissen und zu Tode modernisiert. Retten Sie den Atem von Großzügigkeit und Zuversicht in diesen oft sehr eleganten Häusern unter Terrakottafließen. Es geht um ein anderes Verhältnis zur historischen Substanz, den vielen Universitätsaulen mit ihren Theatern, den alten Bahnhöfen und Badeanlagen.
Fünftens muss man in dieser hochverdichteten Region seltsamer Weise dennoch die Mobilität fördern – wie kann man die «Heimschläfer» unter den Studenten aufwecken? Es braucht andere Abosysteme – sie sollten nicht allein die Theater-, Kunst- oder Musikhäuser in den unterschiedlichen Städten verbinden, wie bei dem Verband der Ruhrgebietsbühnen oder den Ruhrkunstmuseen geschieht, wo gleichartige Institutionen sich horizontal vernetzen, sondern diese neuen Abosysteme sollten unterschiedliche Milieus verknüpfen: Menschen, die zu den Oberhausener Filmtagen gehen, schauen sich wahrscheinlich auch die Veranstaltungen in Pact Zollverein an oder im Museum Küppersmühle. Denn auch in den traditionellen Museen finden inzwischen längst auch Jazzkonzerte statt, Filmfestivals und Performances.
Es sollten digitale Abonnements sein, die das Frühbuchen per App belohnen und überregionale Kontingente für auswärtige Spontanbucher online billiger anbieten. Nur die Mobilität der Besucher ist der Garant für das stabile Bestehen der Einrichtungen. Eine Idee, die ich in Österreich vorbildlich fand, ist der Familienpass – er bietet ermäßigten Eintritt für Museen, Kinos, Schwimmbäder, den Zoo und eine günstige Ferienbetreuung für ansässige Familien mit Kind – auch dies ist Kulturförderung, weil dies dazu führt, dass die Lebensqualität und Verweilfreude im Ruhrgebiet steigt. Aus Berliner Sicht kann ich Ihnen sechstens raten: Den Bund in die Verantwortung nehmen. Fordern Sie Unterstützung über die KSB hinaus für Projekte, die von nationaler Bedeutung sind, weil sie in andere Bundesländer reisen – Ausstellungen, Auftragskompositionen, Choreografien, und fordern sie dafür einen RVR-Struktur-Fonds adäquat zum HKF. Dies könnte zudem ein Pilotmodell sein für eine Neuordnung der Kulturpolitik von Ländern und Bund. Denn die «Kulturhoheit» der Länder ist längst kein Fetisch mehr – viele Kommunen wären nur zu froh, wenn es Hilfe vom Bund gäbe, die nebenbei natürlich auch dem Bund hilft.
Siebtens: «Was soll man denn hier noch alles für Kultur machen? Es gibt doch schon so viel hier!» So würde vielleicht eine von Hape Kerkelings Figuren unsere Debatte kommentieren. Und tatsächlich – es gibt hier eine Art von Humor, die deutschlandweit geliebt und mit der Region verbunden wird, hier aber eine Art «inoffizielles» Leben führt und zum Glück nie Anschluß an ein Modell von «Kreativwirtschaft» gefunden hat. Dennoch kann und sollte man ihr Bühnen bauen und deshalb bin ich für Mentorenprogramme für Comedy und Kabarett: Gewinnen Sie Hape Kerkeling und Helge Schneider als Mentoren, die alternierend alle zwei Jahre regionale Talente ihrer mit einem Stipendium auszeichnen dürfen und hier am Schauspielhaus an einem Abend auf die Bühne bringen. Formate wie «Night Wash» mit jungen Comedietalenten entstehen nicht in Bayern – darauf lässt sich aufbauen. Achtens: Angesichts der unübersehbaren Internationalität des Reviers und seiner Lage als Grenzregion ist es offensichtlich, dass es ein großes, popkulturelles Dreiländertreff geben muss – veranstalten Sie Grenzfestivals – große Popkonzert mit jüngsten Bands aus Belgien, Niederlanden und NRW. Solche Upload-Festivals würden die lokale Szene stärken und zugleich etwas Spezifisches für diese Region pointieren.
Genauso wie ein, und damit will ich meine Vorschlagsliste auch enden lassen, Exilpatenprogramm: Auf das tief verwurzelte Solidaritätsgefühl der Menschen des Ruhrgebiets läßt sich bauen und um den vielen Künstlern, die unter den Geflüchteten ins Revier kommen, die Ankunft zu erleichtern, ließen sich auf vielen Ebenen, wie dies ohnehin bereits geschieht, Brücken in die einheimischen Szenen bauen: Ein Quartett der Bochumer Philharmoniker könnte einen Cellisten aufnehmen, oder ein Galerist übernimmt die Patenschaft für einen Bildhauer, ein Filmregisseur für einen Beleuchter. Schaffen Sie diesem Programm ein Fenster zum Beispiel in diesem Haus.
Langfristig ist es von Vorteil, die bereits jetzt bestehenden Inseln unterschiedlicher Einwanderszenen so intensiv wie möglich in Berührung mit Milieus zu bringen, die soziale Durchlässigkeit und einen gesellschaftlichen «Aufstieg» der Zugewanderten fördern, wie dies Doug Saunders in den unterschiedlichen Fallstudien seines Buches «Arrival City» beschreibt. Die so oft angerufene Idee der «Ruhrstatt» ist vor allem eine solche «Arrival City» im Sinne Saunders’. Wir können und müssen uns bemühen, unser Europa aus den Augen dieser Neubürger zu sehen und diese Impulse als wertvoll begreifen. Politisches Theater ist heute nicht mehr die Adaption der politischen Probleme aus der Tageszeitung, sondern der Versuch des Empowerments dieser Mitbürger mit Migrationsgeschichte und ihrer für uns wertvollen, auch uns vorantreibenden Lebensgeschichte.
Die DDR, in der ich geboren wurde, verschwand innerhalb weniger Jahre – ganze Industrien wurden abgewickelt, und viele Regionen waren und sind geprägt von 30 Prozent Arbeitslosigkeit. Alles verschwand, nur die Kultur blieb übrig. Warum? Warum blieb auch von der Industriekultur des Ruhrgebiets nur die Kultur übrig? Es ist ja nicht die Kulturindustrie – die regiert aus Kalifornien. Hier, im Ruhrgebiet, wie in Ostdeutschland, erleben wir ein Transformationsmanagement, in dem die Rolle der bürgerlichen Kultur so stark ist, weil sie zum Teil älter als die Industrie ist und bereits die Industriellen geprägt hat, genauso wie dann die Sozialdemokratie. Diese hohe Achtung der Kultur als Wert an sich, die zunehmend unter Druck gerät, wenn man zwischen Theater und Kindergärten wählen muss, sieht sich mit einer Frage konfrontiert: Kann Kultur als Auftragskultur überleben? Und wo liegen die Alternativen? Ich glaube, sie schlummern in einem neuen, unabgesicherten Kulturbegriff. Michael Schindhelm nennt diese neue Wirklichkeit das «Kulturplasma» («Wahr. Schön. Gut.», 2015), also den Zustand einer transformierten Kulturlandschaft, die von der Globalisierung und Digitalisierung geprägt wird. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und dem Regionalverband Ruhr für diese weitsichtige Initiative.
Eröffnungsvortrag des 5. «Kulturkongress Ruhr» des Regionalverband Ruhr gehalten in Bochum am 27.9.2016
Artikel bei Nachtkritik