«Welt ohne Außen»

Anne Imhofs «Faust» im Deutschen Pavillon der Venedig Biennale.

Thomas Oberender

Oft sind Ausstellungen mit einer Erfahrung von Ruhe verbunden. Die Werke stehen hell beleuchtet im Raum oder laufen im Loop hinterm Vorhang. Der Trubel der Stadt bleibt draußen und das Versprechen im Inneren lautet: Nichts läuft dir davon. Die Zeit bleibt draußen. Im Deutschen Pavillon in den Giardini der Venedig Biennale ist das anders, seit dort Anne Imhofs «Faust» zu erleben ist. Niemand sagt dort zum Augenblick die berühmten Worte: «Verweile doch, du bist so schön». Es ist eine Ausstellung voller Unruhe.

Die Künstlerin hat in der zentralen Halle des Pavillons und über den zu ihr führenden Flurflächen in gut einem Meter Höhe einen zweiten Boden aus Panzerglas einziehen lassen, der von einem schlanken Stahlgerüst getragen wird. Gläserne Geländer schließen den doppelten Boden vor den offenen Türen zum Garten und den kleineren Nebenräumen ab. Auf deren Steinboden und an weißen Wänden sind Gemälde und Objekte von Anne Imhof ausgestellt, doch wird die Atmosphäre im und um den Pavillon von einer Gruppe von Performerinnen und Performern geprägt, die in unvorhersehbarer Weise inmitten der Besuchermenge agieren. Um das Gebäude herum hat Anne Imhof stabile Drahtzäune errichten lassen, auf denen Performer und Performerinnen hocken und auf die Warteschlange schauen.

Von Goethes Werk fällt in diesem «Faust» kein Wort und keine der bekannten Figuren tritt auf. Und doch ist das Stück anwesend. So entkernt und frisch ausgekalkt der Pavillon in diesem Projekt erscheint, erinnert er an Fausts Labor, in dem die Geister einer anderen Welt herbei beschworen werden. Auf dem die gesamte Haupthalle ausfüllenden Glasboden stehen die Besucher wie Exponate auf einer Bühne. Die Performer und Performerinnen, die sich unter sie mischen, könnte man in ihren schwarzen T-Shirts und Leggins selbst für Gäste halten.