«Angst in der Popmoderne. Pop ist heute die mentale Form der Bürgerlichkeit»

Fragmente einer Kritik des aktuellen Kulturverständnisses
von Thomas Oberender 

 

 

Die Zeit des Überflusses ist vorbei. Die siebziger Jahre kehren in den Neunzigern wieder. PRILblumen, Plateauschuhe und Synthetikstoffe – die unsichtbare Hand der Designer prägt ihr Remake auf die profane Oberfläche unseres Alltags: Cover, Flyer und Werbung. Die siebziger Jahre waren das Jahrzehnt der Schrecken: Guillaume, die Ölkrise, Seveso und Deutschland im Herbst. Sie waren aber auch: der Anfang der Spaßgesellschaft, die Ankunft von McDonald’s, Comics und «Star Wars». Das Gegenfluidum des industrialisierten Spaßes ist Angst.

Verlustangst, Lebensangst oder Angst vor zuviel Neuem. Sie strömt aus den Leerstellen und ist, wie der Spaß, ein Äther, ein Gas.

Die Wahrnehmung der Angst erfolgt diffus, als «soziale Hintergrundstrahlung».

Sie wirkt wie der Spaß – atmosphärisch. Auch die «Seele» eines modernen Unternehmens, sagt Gilles Deleuze, gleicht einem solchen «Gas». Es ist diese «Seele», die alles durchdringende Idee, auf die sich ein Unternehmen heute gründet. Ganz anders die Fabrik des 19. Jahrhunderts – sie brauchte den Ort, das Dach über ihren Mauern, um zu produzieren. Sie konnte nur innerhalb der geschlossenen Räume das Unordentliche disziplinieren, das heißt vor allem den Menschen und die komplizierten Passungen einer komplexen Arbeit.

In diesen Fabrikmauern war der einzelne ebenso geschützt wie eingesperrt.

In den neunziger Jahren wird die Erkenntnis, daß diese Disziplinargesellschaft anachronistisch ist, zum Allgemeingut. Versuche, das «Ganze» zu treffen, indem man an den Mauern der alten Gesellschaft rüttelt, sind bloße Donquichotterie. Daß die RAF 1993 den Rohbau eines Gefängnisses sprengt, ist der Ausdruck eines altmodischen Feindbildes.