«Kunst als Transfer von Zeit in Stoff»

Über schnelle und langsame Medien und Genres

von Thomas Oberender

Vielleicht verweist die Frage nach dem essentiell «Künstlerischen» am Kunstwerk auf sein besonderes Verhältnis zum Phänomen der Zeit. Ein Blick in die Geschichte der bildenden Kunst zeigt, dass über Jahrhunderte hinweg die Herstellung von Gemälden und Skulpturen ein äußerst aufwendiges und mühsames Verfahren war. Dies führte zu einem in mehrfacher Hinsicht komplizierten Verhältnis des Kunstwerks zur Aktualität seines Gegenstandes. Zum einen ist die augenblicksnahe und unmittelbare Wirkung seiner Darstellung nie das direkte, objektive Abbild dieses gezeigten Augenblicks, denn die Umstände der Bilderzeugung sind dafür viel zu «langsam» – die anfänglichen Skizzen, Vorstudien und schließlich langwierige Ausführung eines Gemäldes sind Teil langwierigen Prozedur. Ihr entgegen steht die Spontaneität und Bewegtheit des dargestellten Augenblicks, der somit der Ausdruck einer malerischen Paradoxie ist, denn das im Bild festgehaltene Moment verhält sich zur Methodik und Technologie der Darstellung genau entgegengesetzt. Der amerikanische Künstler Mark Tansey illustrierte diese Paradoxie eindringlich, wenn er einen Maler vor seiner Staffelei in Sichtweite eines Weltraumflughafens zeigt, der den Augenblick des Starts einer Rakete auf der Leinwand festhält. Es ist ein ironischer Triumph der Malerei, deren Werke in der Regel das Spannungsverhältnis zwischen der zeitintensiven, sukzessiven Realität des Verfahrens in der ganzheitlichen und momenthaften Anmutung seines Ergebnisses vergessen macht. Es ist vor allem diese spezifische, man könnte sagen: herstellungsbedingte Langsamkeit, die vielen Gemälden schließlich ihre Klassizität, ihre komponierte Anmut und auratische Gegenwart verleiht. Sie verdankt sich dem mühsamen, reflektierten und zugleich riskanten Vorgang, eine weiße Fläche durch den Auftrag von Farbe Punkt für Punkt in ein Bild zu verwandeln, das am Ende ein Ganzes erzeugt – es zeigt die Welt und schafft zugleich eine eigene Welt, eine Welt neben der Welt, deren Gültigkeit durch Jahrhunderte hindurch bestehen bleibt.