«Kein größerer Gegensatz denkbar»

Zu Peter Handkes «Bis dass der Tag euch scheidet»

 

 

Peter Handke nennt sein neues Stück eine Art «Echo-Monolog» auf Becketts «Das letzte Band» und in der Tat sind diese Texte thematisch sehr ähnlich: In beiden steht die Figur eines Schriftstellers im Mittelpunkt, und zugleich die Beziehungsgeschichte eines Paars, wenngleich aus sehr unterschiedlicher Perspektive. Samuel Becketts Held ist ein Schriftsteller namens Krapp, der jedes Jahr an seinem Geburtstag ein seltsames Ritual ausführt – in einer Kneipe notiert er sich die wesentlichen Momente des vergangenen Lebensjahres auf einem Zettel, und spricht anschließend sein Jahresresümee zu Hause auf ein Tonband. Krapp ist 69 Jahre alt und bevor er seine Bilanz zu Protokoll gibt, lauscht er in die Aufzeichnungen aus früheren Zeiten zurück. Aus einem Band, das er als 39-Jähriger besprochen hat, erfahren wir von seiner Liebe zu einer Frau, die er verlassen hat, um Schriftsteller zu sein. Er hat sie seinem Werk geopfert, einem Werk, über das er als alter Mann nur bitter lachen kann, denn das Fazit seines Lebens ist das Eingeständnis einer allumfassenden Vergeblichkeit. Drei Mal spult Krapp das Band zurück zu jenem Moment, da die Frau im Boot erwähnt wird, zurück zu seinem «Abschied von der Liebe». Aber die Zeit lässt sich nicht zurückspulen. Das letzte Band, das ihn mit dem Leben verbindet, ist das letzte Band, das er bespricht.