«In so viel Gunst stirbt alle Kunst»

Acht Thesen zur Finanzierung von Kunst
von Thomas Oberender

 

 

Nur frei kann wachsen, was bleibt. Kein Projektgeld hilft da, kein Chichi: Acht Thesen zur Finanzierung von Kunst – vom Intendanten der Berliner Festspiele

Kunst und Kultur werden in Deutschland großzügig durch die öffentliche Hand unterstützt. Die festen Budgets vieler Museen, Theater oder Konzerthäuser aber stagnieren seit geraumer Zeit oder werden gekürzt. Die Finanzierung ändert sich radikal: Die arbeitssichernden Mittel werden zunehmend durch punktuelle Projektförderung auf Antrag gewährt, während die Institutionenförderung erodiert. Dieser Paradigmenwechsel schlägt zurück auf die solchermaßen neu und anders subventionierte Kunst.

1. Kunst darf nicht mit Pädagogik verwechselt werden

Kunst scheint zunehmend das im Beipackzettel von Förderanträgen und Förderrichtlinien Mitgemeinte zu sein. Zu Leitbegriffen werden: Education, Nachbarschaft, Partizipation. Der dynamische Bereich der Kulturförderung jenseits der fixen Zuwendung für die klassischen Institutionen dient oft sozialen Zwecken und weniger der Förderung künstlerischer Produktion.

Die traditionelle Geste, dass ein Souverän, ein Mäzen oder der Staat Künstlern durch Aufträge ihre Freiheit gewährt, wird abgelöst von einer Geste, die vermittels der Kunst eine spezifische Pädagogik verfolgt: mehr Bildung, Austausch und Integration, mehr Vernetzung, Nachhaltigkeit und Innovation.

Gefördert wird oft ein sozialer Zweck, der durch die Kunst vermittelt werden soll. Einen solchen partizipatorischen Ansatz pflegen Kinder- und Jugendtheater mit Migranten oder Stadtteilbewohnern. Kunst gilt plötzlich als sekundäres, unsicheres Phänomen. Vielleicht liegt dieser Geisteswandel, dem zufolge weniger die Kunst der Förderung bedarf als der Zustand unseres Gemeinwesens, daran, dass der Hype der bildenden Kunst suggeriert, Kunst käme am Markt allein zu Geld. Diese Entwicklung hat zwei bedenkliche Effekte: Sie ersetzt den Eigenwert künstlerischer Arbeit durch Begründungszwänge. Und sie verstärkt in den seltenen Fällen, in denen noch künstlerische Projekte gefördert werden, die Tendenz zu großen Namen und zu Formaten, die Aufmerksamkeit und Sicherheit versprechen.