«Hello, Spaceboy!»

Die Ausstellung «Universal Metabolism» im Kraftwerk Mitte 

Thomas Oberender

Zwischen den zwei Festivalwochenenden des Atonal-Festivals für Klangkunst im Berliner Kraftwerk Mitte fand zum ersten Mal eine mit vier Tagen Laufzeit verschwenderisch kurze, und zugleich verschwenderisch reiche Ausstellung auf allen Etagen des ehemaligen Heizkraftwerks und seinen 8000 Quadratmetern Veranstaltungsfläche statt.  

Ihren Besuchern leuchtete aus dem Dunkel der Halle als Auftakt eine freistehende Installation von sechs Wandteppichen der Künstlerin Livia Melzi entgegen, ein Blick in Hölle, wie sie europäische Illustratoren im 16. Jahrhundert entworfen wurde, als sie die Berichte der Seereisenden und Missionare aus der Neuen Welt und deren Begegnung mit indigenen Kulturen in erschreckende Bilder setzten, die Menschen zeigen, die Menschen martern und essen. Diese schwarzweißen, in Stoff gewebten historischen Stiche sagen heute mehr über unseren eigenen Blick als über diese Kulturen aus und sie führen direkt in das Thema der Ausstellung «Universal Metabolism», den Stoffwechsel unserer Spezies, der Teil eines viel größeren Gaia-Organismus ist, der auch uns verdaut. 

Gleich hinter den Teppichen liegt eine Fläche im Dämmerlicht der fensterlosen Halle, die von Trümmersteinen bedeckt ist. Einen Augenblick später wird sie in ein mildes Arbeitslicht getaucht und man sieht inmitten der Steine die Künstlerin Bridget Polk, die vor den Augen der Besucher aus diesen Trümmern säulenartige Skulpturen baut. Ihre einzelnen Bestandteile werden nur durch die Schwerkraft zusammengehalten. Man kennt dies von den kleinen Kieselpyramiden am Strand oder Gebirge, doch das Material von Bridget Polk stammt aus den Ruinen menschlicher Bauten. Sie stellt Mauersteine, Geländersäulen und Betonquader auf Kante stapelt sie in die Höhe. So entsteht ein magischer Stillstand der Objekte und Bridget Polk bei diesen Balance-Akten zuzuschauen, ist ein Blick in die Werkstatt der Künstlerin und zugleich eine Performance und Meditation. 

Etwas tiefer im Saal tropft der Kalkschlamm auf der Oberfläche einer fünf Meter hohen Textilskulptur von Mire Lee in eine Bodenwanne. Die Skulptur «Black Sun» der koreanischen Künstlerin hat die fetzenhafte Struktur eines freigelegten Fasziengeflecht und erinnert an ein ausgeweidetes Tierfell. Mere Lees organisch und zugleich technisch wirkende Installation könnte Teil ihrer derzeitigen Ausstellung im New Museum in New York sein und es ist ein großes Glück, sie auch in Berlin zu entdecken. Adriano Rosselli, der co-Kurator dieser Ausstellung im Kraftwerk Mitte, hat viele solcher Entdeckungen in dieser Ausstellung versammelt, von Florentina Holzigers Glockenspiel-«Etüde» am ersten Wochenende der Show bis neuen Arbeiten von Cyprien Gaillard, Marco Fusinato, Actress oder Romeo Castellucci.