«Narration heute»

Zur Zukunft des Theaterstücks
von Thomas Oberender

 

 

Ich glaube, traditionelle Theaterstücke haben eine sichere Zukunft. Aufzuschreiben, was jemand als jemand sagt, der er nicht ist, aber für den er in Erscheinung tritt, in Räumen, die nicht die Räume sind, von denen aber wiederum gesagt wird, sie seien eben andere Räume, zu einer Zeit, die gar nicht die aktuelle ist – das alles ist ein so wunderbarer Vorgang der Verschiebung und Metamorphose der Realität vor den Augen der Welt, dass diese Anleitungen zur großen Transformation, diese Notationen von Geschichten und Abläufen wohl noch lange Zeit jedem Spaß machen werden, der spielen will, der eine Welt herbeibehaupten möchte und ein Leben ausprobieren will, dass er selten leben kann. Theaterstücke in diesem traditionellen Sinne einer Repräsentation von etwas da draußen irgendwo drinnen und unmittelbar nah sind die Notenschrift einer sehr einzigartigen, komplexen Aufführungspraxis – was in ihnen notiert steht, erzeugt eine durch den Text stets vorkomponierte Verhaltensweise einer Gruppe von Menschen, die zusammen ein Werk erklingen lassen, indem sie es spielen und herzeigen. Die literarische Notation von Dialogen erzeugt im Theater ganz nebenbei gebaute Bühnenarchitekturen, spezielle Kleidungsstücke und Masken, eröffnet Assoziationen die zu Klängen werden, Musik und Lichtstimmungen, sie sind Welterzeugungsmaschinen aus Text, der nachgelebt werden soll durch jene, die uns seine Wörter vorsprechen.