«Horror der Relativität» 

Godot-Phantasien
von Thomas Oberender  

 

 

Die Provokation des berühmten Textes von einst scheint heute dem milden Lächeln über einen beliebter Klassiker gewichen zu sein. Die Erfindungen, die Beckett mit diesem Werk 1948 vorstellte, wurden Legende. Zwischen zwei Sätzen geht die Sonne auf und unter, der Ort wurde zum Raum und bleibt vage. Beckett spielt mit der Intertextualität seines Stückes, der Unschärfe seiner Behauptungen, die sich erst durch die Interpretation oder Beobachtung «entscheiden» lassen und er schafft eine Schwellensituation des Dargestellten, in dem jedes Geschehen gleichzeitig sowohl triviale wie auch erhabene, hohe wie auch niedrige Züge hat. Seine Erfindungen von Bildern und Technologien, die das «sicher» Gegebene in den persönlichen Entscheidungsraum verbannt, machen «Warten auf Godot» zu einem Urtext der sich selbst bezweifelnden, belächelnden und betrauernden Moderne. Er wirkt nicht «modernisierbar».