«Gegenzauber»

Über die Copenhagener Uraufführung Ed Atkins und Steven Zultanskis Stück «Sorcerer»

Von Thomas Oberender

Nach dem Besuch einer Performance seiner Gedichte von Ed Atkins und der damit verbundenen Ausstellung «I like to spit now» mit neuen CGI-Videoarbeiten des Künstlers vor zwei Jahren in New York schrieb die Kritikerin Emily Watlington: «Wenn man die CGI aus Atkins‘ Werken entfernt, bleibt immer noch die Poesie – die tatsächlich Atkins‘ eigentliches Medium sein könnte.» Für einen bildenden Künstler, der besonders für seine CGI-Videoarbeiten in den bedeutendsten Museen der Welt gezeigt wird, ist dies ein bittersüßes Kompliment. Aber ein Hauch Wahrheit liegt in dieser Bemerkung, denn Atkins ist tatsächlich auch ein brillanter Autor. Parallel zu vielen seiner Filmprojekte entstehen seit Jahren experimentelle Erzählwerke wie «Old Food», «A Primer for Cadavers», «A Seer Reader» oder das Theaterstück «Sorcerer», das vor wenigen Tagen im Londoner Prototype Verlag in einer Buchausgabe erschien.

Seit einigen Jahren lebt Atkins in Kopenhagen und «Sorcerer» wurde dort im März letzten Jahres im Revolver-Theater uraufgeführt. Das drei-Personen-Stück entstand als eine Gemeinschaftsarbeit von Atkins und dem amerikanischen Autor Steven Zultanski, mit dem er auch gemeinsam Regie führte und das Bühnenbild entwarf. Auf den ersten Blick wirkte das Set wie eine klassische Theaterdekoration für ein sozialrealistisches Stück. Auf einem flachen Podest steht in dem hallenartigen Theatersaal der Nachbau eines Appartements einer Neubauwohnung. Das Studio wirkt nüchtern und klar wie eine Ausstellungsfläche in einem Einrichtungshaus.

Im Hintergrund ist eine Küchenzeile zu sehen, davor ein Küchentisch mit Stuhl und Laptop, im Vordergrund stehen ein Sofa und Sessel um einen Couchtisch, daneben zwei Stehlampen, ein Fernseher auf dem Boden und großer Screen an der Rückseite. Neben der Wohnungstür steht ein Kleiderständer, alles wirkt aseptisch und funktional und es ist schwer zu sagen, ob die Dinge alt oder neu sind. Auf der Tischplatte liegt ein Schlüsselbund, sonst verweist nichts auf etwas Persönliches des Menschen, der hier wohnt. Ungewöhnlich wirken nur die an den Außenkanten des Podestes verlaufenden Rohre und Heizkörper, die eine freistehende Einfassung des Raumes bilden, zugleich aber auch daran erinnern, dass die Wände, vor denen sie normalerweise montiert sind, entfernt wurden und die abgeschlossene Welt dieses Appartements sich für die Blicke der Außenwelt öffnen.

Die gut einstündige Uraufführung von «Sorcerer» gliederte sich in zwei Teile. Der erste schildert eine Begegnung von drei Freunden, der zweite eine Choreografie ohne Worte. Die Schauspieler Lotte Andersen, Peter Christoffersen und Ida Cæcilie Rasmussen spielen Figuren, die, wie in Handkes «Ritt über den Bodensee», die Namen von Schauspielern tragen – im Fall von «Sorcerer» sind es ihre eigenen. Dennoch ist das Stück nicht aus ihren Improvisationen oder der Probenarbeit entstanden, sondern gibt mit der Namensgebung lediglich einen Hinweis darauf, dass diese Figuren sich auf eine Realität beziehen, die mit dem Medium selbst verbunden ist und, wenn man ihre Quelle sucht, immer wieder auf Menschen verweist, die Menschen spielen.