«Was ist ‘Macht’?» 

Interview mit Andrea Marggraf in dem Feature

«Da geriet ich in Furcht - Mächtige Begegnungen»

SWR2, April 2014

Auszug: 

«Canettis Gedanke, dass die Gnade ein sehr hoher und konzentrierter Akt der Macht ist, verdeutlicht, dass Gnade der Ausdruck absoluter Souveränität ist. Nur der Stifter des Gesetzes kann das Gesetz außer Kraft setzen. Oder er kann die Außerkraftsetzung des Gesetzes als Teil seiner Souveränität definieren. Das ist ein anderes Wort für Gnade. Gnade heißt, nicht den üblichen Regeln folgen, sondern ein höheres Prinzip einführen und berücksichtigen. Und das ist der absolute Autoritätsbeweis. Gnade zeugt von Überlegenheit. Von einer superioren Position, die nur der Souverän einnehmen kann. Die Gnade ist der höchste Machtbeweis. 

Ich schätze sehr die Arbeit der Jugendtheaterklassen an den Stadttheatern, wo man als Teenager in verschiednen Arbeitsgruppen an den Theatern mitlaufen kann, Inszenierungen macht und die erste Theaterluft schnuppert. Ich erlebe beim Theatertreffen der Jugend, dass sich trotz Internet und komplizierter Schul- und Lehrstrukturen bei den Jugendlichen das Bedürfnis nach sozialer Erfahrung und Selbstbewährung eher vergrößert. Wir schaffen dafür eine Atmosphäre, die nicht vom Wettbewerb geprägt ist, sondern eine Akademie für die Jugendlichen und Pädagogen. Sie werden zu nichts «herangeführt», sondern erfahren sich als wertvoll und kompetent. Sie tun, was ihnen leicht fällt. Und ich erlebe, wie das, was da an den Schulen im Spiel und Nachdenken über das Spiel geleistet wird, zum Aufblühen der  Persönlichkeiten unmittelbar beiträgt. Das ist, wenn wir über das Thema Macht sprechen, eine Form von guter Macht.