«Wenn die Nacht zum Tage wird» 

Ein Theater des Tages und eines der Nacht.
von Thomas Oberender

 

 

Die Fenster des Probenraums wurden mit Holzplatten licht- und schalldicht verschlossen und die Oberlichter mit schwarzer Folie beklebt. Kein Ton, kein Sonnenstrahl dringt von draußen herein. Was immer auf den Bühnen unserer Stadttheater zu sehen und hören ist, wird in diesen Häusern der künstlich erhaltenen Nacht zur Erscheinung gebracht. Wie vieles muss ausgeschlossen werden, um ein wenig zu zeigen – die Gesichter der Schauspieler sind überformt von der Maske, die Körper von Kostümen, die Alltagssprache von Sprachformen der Literatur und tragenden Bauchstimme der Darsteller. Diese Theater wurden von Menschen gebaut, die der Überzeugung waren, dass in diesen Räumen der künstlich erhaltenen Nacht das Wort »Gegenwart« eine andere Bedeutung besitzt – dass hier etwas zu finden sein sollte, das so und sonst unter uns nicht anwesend ist: Eine Sprache, ein Wissen und Empfinden, das aus anderen Zeiten und Welten der unseren hinzutritt, ohne in ihr aufzugehen.