CHAMÄLEON: Im vergangenen März haben Sie mit dem Stück Nebula von Compagnie du Chaos erstmals ein zeitgenössisches Zirkusstück im Haus der Berliner Festspiele präsentiert und Ihre neue Programmschiene «Circus» eröffnet. Im Mai ist der zeitgenössische Zirkus zum ersten Mal im Rahmenprogramm des Theatertreffens erschienen. Was reizt Sie an diesem Genre?

Thomas Oberender: Theater handelt sehr oft vom Scheitern und der Circus vermittelt eine Erfahrung von Gelingen. Zeitgenössischer Circus basiert auf diesem Spiel mit der Gefahr, dem Risiko und physischer Realität, von Akrobatik und Magie, aber zugleich wird er eine eigene oftmals sehr poetische Kunstform, die alle übrigen Künste absorbiert, das Tote lebendig macht und die lebenden Körper oft als Instrumente von ganz unwahrscheinlichen Leistungen und Grenzüberschreitungen zeigt. Circus ist immer gut, wenn er irgendwo auch Circus bleibt und jene eigene Form von Anarchie und Stolz entwickelt, die dem Circus innewohnt - ausgehend von seiner Eigenart und Herkunft vom Rande der Gesellschaft.  Darin liegt seine Stärke und die Möglichkeit der freien, unbeschwerten Betrachtung der Kunst und Gesellschaft.