Frei, aber nicht frei

Nach gut zwei Wochen in einem Pariser Gefängnis wird die Sängerin Rokia Traoré nach Belgien ausgeliefert, wegen der geschlossenen Grenze muss sie aber in Frankreich bleiben.

Von Joseph Hanimann

Die aus Mali stammende Sängerin Rokia Traoré ist aus dem französischen Gefängnis entlassen worden und soll nach Belgien ausgeliefert werden. Das ist insofern seltsam, als sie dorthin sowieso unterwegs war, als sie am 10. März auf dem Pariser Flughafen festgenommen wurde (SZ vom 20. März) Sie steht mit ihrem ehemaligen Lebenspartner, dem belgischen Kulturmanager Jan Goossens, wegen des Sorgerechts für die gemeinsame Tochter in einem Rechtsstreit. Ein belgisches Gericht hatte sie dem Vater zuerkannt. Die mit ihrer Tochter in Bamako lebende Sängerin weigert sich, dem nachzukommen, und erhob Gegenklage wegen sexueller Übergriffe auf die Tochter. In Belgien wurde das Verfahren als gegenstandslos eingestellt, in Frankreich und in Mali läuft es noch.

Im Januar hatte das belgische Gericht Traoré eine letzte Frist gesetzt, mit ihrer Tochter zur Beilegung des Streits zu erscheinen, und zugleich einen europaweiten Haftbefehl erlassen. Nach ihrer Festnahme in Paris trat Traoré in einen Hungerstreik.

Das Pariser Appellationsgericht entschied nun, dass sie entlassen und nach Belgien ausgeliefert werden solle. Da dies wegen der Corona-Epidemie derzeit nicht möglich ist, soll sie unter gerichtlicher Aufsicht bleiben und darf Frankreich nicht verlassen. Traorés Anwalt erklärte, der Kampf vor dem belgischen Gericht gehe weiter und werde, wenn nötig, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fortgesetzt. Gegen die Festnahme der Sängerin hatten Persönlichkeiten wie Judith Butler, Annie Ernaux, Achille Mbembe, Thomas Oberender, Felwine Sarr und Bénédicte Savoy protestiert.

Jan Goossens, der seit fünf Jahren das Kulturfestival Marseille leitet, ließ über seine Anwälte verlauten, alle seine bisherigen Angebote für eine Einigung bezüglich des Sorgerechts seien von Traoré abgelehnt worden.

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